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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz
Autoren: Tanith Lee
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starr und ausdruckslos wie Ikonen. Irgendetwas wurde vielleicht zwischen ihnen vermittelt, ohne einen Blick oder ein Wort.
    Die Stille dauerte sehr lange an.
    Als Rachaela auf Adamus blickte, war auch sein Gesicht ausdruckslos. Er ließ Ruth stehen und ging auf die Tür zu.
    Sie machten ihm den Weg frei.
    Nur Rachaela hielt ihn am Arm fest.
    » Nein, Adamus. Du kannst nicht gehen. Was haben sie vor?«
    » Nimm deine Hand weg«, sagte er. » Zwing mich nicht, sie gewaltsam zu entfernen.«
    Sie ließ die Hand fallen, und er lief an ihr vorbei, hinaus in den dunklen Korridor.
    Sie sprach laut zu den Scarabae: » Was werdet ihr tun?«
    Und sie hatte Angst, doch es schien, als fürchte sie mehr um sich selbst als um Ruth. » Stephan – was macht ihr mit ihr?«
    Stephan antwortete: » Wir müssen sie einsperren. Das wurde immer so gemacht.«
    » Auf dem Dachboden«, sagte Miranda.
    » Auf dem Dachboden kann sie keinen Schaden mehr anrichten«, sagte Miriam.
    Sascha fügte hinzu: » Viele Jahre lang.«
    » Ihr seid verrückt«, stieß Rachaela zum wiederholten Mal hervor. » Sie ist nur ein Kind. Ein krankes Kind. Sie braucht Hilfe.«
    » Einsperren«, sagte Stephan. » Carlo.«
    Und Carlo zog seine Jacke aus, während er auf Ruth zuging, und bot sie ihr an.
    Doch Ruth verschmähte die Jacke und bedeckte ihre nackten Brüste weiterhin mit ihrem Arm.
    Carlo legte eine Hand auf Ruths Schulter, sie war verhaftet. Doch sie hob nur arrogant den Kopf und ließ sich zur Tür führen. Und als sie an den Scarabae vorbeikam, oder vielleicht als sie Rachaela erblickte, lächelte Ruth erneut. Diesmal jedoch war es das Lächeln eines Clowns, durch die Auswirkungen des Schlages schief und verzerrt. Mit Schwierigkeiten verkündete sie: » Ihr habt es verdient«, und wurde weggeführt, um in den dunklen Gefilden des Dachbodens zu verschwinden.
    » Stephan«, sagte Rachaela, » du verstehst nicht.«
    Stephan saß vor dem Kamin und starrte auf die Stelle, an der im Winter das Feuer gebrannt hatte.
    Sie setzte sich ihm gegenüber. » Stephan, was Ruth getan hat, war schrecklich. Kannst du nicht sehen, dass sie geisteskrank ist? Sie auf euren Dachboden zu sperren, ist keine Lösung.«
    Stephan starrte auf das Phantom des Feuers.
    » Sie braucht ärztliche Betreuung. Sie muss in ein Krankenhaus.«
    » Anna«, sagte Stephan.
    » Anna kann niemand mehr helfen. Lass mich Ruth helfen.«
    » Wir haben unsere eigenen Wege.«
    » Ruth gehört euch nicht. Sie gehört mir.«
    » Ruth gehört uns.«
    Die Körper der Toten lagen in ihren Schlafzimmern, Peter und Dorian zusammen in einem Bett. Bald, wenn die Ebbe kam, würden sie zum Strand gebracht und verbrannt werden. So viel hatte ihr Stephan schon verraten.
    » Du musst auf mich hören, Stephan.«
    » Oh, Anna«, sagte er.
    Rachaela erhob sich und ging auf ihr Zimmer.
    Sie saß in ihrem Sessel und lauschte der See, versuchte zu hören, wann die Ebbe kam.
    Es war geschehen.
    Jetzt würde Ruth Adamus hassen. Und er war seinerseits fertig mit Ruth. So viel Leidenschaft zwischen den beiden. Viel mehr als es zwischen Adamus und ihr gegeben hatte. Doch sie musste Ruth wegbringen. Jetzt war es möglich. Nur die abgeschlossene Tür des Dachbodens hinderte sie daran.
    Warum? Warum musste sie Ruth retten?
    Ruth war der Dämon, für den Rachaela sie immer gehalten hatte.
    Es wäre besser, wenn sie sich die Hände wusch und Ruth mit allem ihrem Blut wegspülte.
    Aber irgendetwas ließ das nicht zu. Letztendlich existierte ein Band zwischen ihnen. Wie eine unversehrte Nabelschnur. Keine Liebe, das niemals.
    Aber … irgendetwas.
    Sie konnte Ruth nicht den Scarabae überlassen.
    Die Ebbe, sicher war die Flut jetzt zurückgegangen.
    Sie lauschte, doch jetzt nicht mehr nach der Flut, sondern nach den leisen Geräuschen der Scarabae, die sich zur Einäscherung ihrer Toten begaben. Wie Käfer im Holz krochen sie einher. Sie hörte, wie sie das Haus verließen, oder bildete sie sich das ein?
    Schließlich ging sie vor die Tür und sah sie vom Treppenabsatz aus, wie sie sich in ihren sommerlichen Gewändern in den unteren Räumen versammelten wie zu einer mitternächtlichen Party.
    Was für ein Lagerfeuer es diesmal auf dem Strand geben würde! War Adamus mit ihnen gegangen? Rachaela wandte sich ab und lief den Korridor zu ihrer Linken hinunter.
    Als sie den untersten Treppenabsatz erreichte, erwartete sie eigentlich, auf einen von ihnen zu stoßen, der als Wachposten zurückgelassen worden war, doch es war niemand
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