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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz
Autoren: Tanith Lee
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und wahrscheinlich kannten es auch alle anderen; die Suche stellte für sie nur eine Art Ritual dar, das sie vollzogen, inmitten der schwarzen Fenster, die Ruth mit Kreuzen beschmiert hatte, unter den Schnitzereien, den Gemälden und bemalten Spiegeln, auf denen blutige Kreuze aus Lippenstift prangten.
    Und jetzt waren sie angekommen. Cheta holte den Schlüssel hervor und steckte ihn wieder weg, weil das Türschloss aufgebrochen war.
    Adamus riss die Tür sperrangelweit auf.
    Und da waren sie wieder, tanzten im flackernden Licht der Lampen und Kerzen auf und ab – die schimmlige Fledermaustapete und die zahllosen roten Kleider.
    Die Scarabae standen stumm im Türrahmen und legten ihre alten, vertrockneten Hände auf ihre Lippen, an ihre Kehlen und auf die Schultern ihres jeweiligen Nachbarn.
    Als wäre ihnen der Zutritt verwehrt.
    Doch Adamus trat ein. Als ob er es wüsste, als ob man ihm von der Szene mit dem Vogel berichtet hätte, was wahrscheinlich auch zutraf – dem Vogel, der sich im Rock des Kleides verborgen hatte. Er durchschritt den Raum, und als er an den Kleidern vorbeikam, verabreichte er jedem von ihnen einen festen Stoß, so dass sie auf ihren Ständern herumgeschleudert wurden. Er war der Mittelpunkt eines roten Wirbelsturmes, und als die Kleider endlich auf dem Boden aufschlugen, zerrissen die zarten Stoffe und explodierten in einem Sprühregen aus Perlen und karmesinrotem Staub. Er, der Wind, und sie, das rote Meer, das sich vor ihm teilte.
    Die Scarabaefrauen ließen winzige, spitze Schrei hören, die manche von ihnen auch ausgestoßen hatten, als man auf Anna und Alice, Peter und Dorian getroffen war. Dies hier war eine andere Form des Todes.
    Doch Adamus kam zu dem Kleid in der Ecke, ein Kleid mit einem weiten Rock und einer Schleppe.
    Er stieß den Ständer nicht um.
    Er streckte die Hand aus, zog mit vornehmer Geste die Falten des Stoffes auseinander, und meterweise rosafarbener Satin zerfiel zwischen seinen Fingern.
    Und dort, im Herzen des Kleides, hockte Ruth, wie das Kind in der Märchenblume.
    Sie hatte sich in ihrem Gewand aus Blut, das in dunkleren und kräftigeren Farben als ihr Versteck leuchtete, zusammengekauert. Ihr schwarzes Haar fiel über ihre Schultern. Es war kein bisschen Blut an ihr zu sehen, und ihre Hände waren leer.
    Sie schnellte mit dem Kopf herum wie eine Schlange, blickte hoch und sah Adamus, der sich über sie beugte. Und dann lächelte sie. Das süßeste Lächeln, das Rachaela je auf ihrem Gesicht erblickt hatte. Und dieses Gesicht, das stets wirkte wie das Gesicht eines hässlichen Zwerges, erstrahlte in diesem Lächeln zu vollendeter Schönheit wie ein Stern.
    » Ich hatte gehofft, dass du kommen würdest«, sagte Ruth.
    » Ich habe daran geglaubt. Adam. Sie haben versucht, uns zu trennen.« Sie hörte sich an wie die Heldin eines drittklassigen Romans. Sehr sanft, fast zaghaft, zog er das Kleid weiter auseinander und hob sie mit beiden Händen daraus hervor.
    Und Ruth, die einzig Augen für ihn hatte, hob ihm ihr Sternengesicht für einen Kuss entgegen.
    Adamus hielt sie mit der linken Hand fest. Er hielt sie an der Taille hoch in die Luft.
    Und dann schlug er sie mit seiner rechten Hand über Gesicht und Hals, mit einem solchen Hieb, dass es sie eigentlich in Stücke hätte reißen müssen.
    Sein Fausthieb lockerte sie aus seinem Griff, das Oberteil des Kleides zerriss und löste sich von ihrem Körper, und Ruth wurde rücklings auf den Boden geschleudert.
    Sie blieb etwas benommen liegen, das zerrissene Oberteil entblößte ihre nackten Brüste, die weiß und vollkommen schimmerten mit ihren rosigen Knospen, auf denen sich jetzt ein winziger scharlachroter Faden zeigte, der jedoch nicht von dem Kleid stammte, sondern aus Ruths Mundwinkel getropft war. Und einen Moment lang wirkte die am Boden liegende Ruth vollkommen, bevor ihr blasses Gesicht auf der einen Seite braunrot aufflammte und anschwoll, wie das perfekte Bildnis eines Vampirs aus den Medien.
    » Steh auf«, befahl Adamus.
    » Nein«, stieß Ruth durch ihre geschwollenen Lippen hervor. » Du willst mich nur noch einmal schlagen.«
    » Steh auf, und sieh ihnen ins Gesicht.«
    Also stand Ruth auf und einen Arm schützend über ihre nackten Brüste gelegt starrte sie auf die Scarabae.
    Sie starrte die Alten an, und die starrten zurück.
    Sie fragten sie nicht, ob, oder aus welchem Grund sie es getan hatte. Sie leugnete nichts und versuchte auch nicht, mit ihrer Tat zu prahlen. Ihre Gesichter wirkten
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