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Schwarzer Rauch

Schwarzer Rauch

Titel: Schwarzer Rauch
Autoren: Stefanie Hasse
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als würde ich wirklich glauben, dass es sich hier um den echten Mond handeln könnte. Jedes kleinste Detail, jeder Krater war perfekt herausgearbeitet. Ich wusste nicht, wie lange ich voller Erstaunen dort gestanden hatte.
    »Du darfst den Mund ruhig wieder schließen.« Mit diesen Worten kam Malte auf mich zu. Eigentlich hätte es mich irritieren sollen, ihn ausgerechnet hier zu treffen, aber meine Begeisterung über die Skulptur machte ein logisches Denken unmöglich. Durch diese geistige Umnebelung hindurch registrierte ich gerade noch, dass etwas an Malte anders war. Er wirkte selbstbewusster, strahlte eine nie dagewesene Autorität aus. Was tat er hier? Und was sollte ich hier?
    »Hallo, Victoria. Du fragst dich sicherlich, wieso du hier bist«, schien Malte meine Gedanken zu lesen. »Komm mit. Ich erkläre dir alles.«
    Dieser Aufforderung kam ich gerne nach. Ich spürte keine Furcht, weil ich vollstes Vertrauen in ihn hatte. Wir kannten uns schließlich schon seit Jahren, fast schon von Kindesbeinen an.
    Oder etwa nicht? Irgendetwas ließ mich in genau diesem Moment daran zweifeln. Ich durchforstete meine gesamten Erinnerungen und versuchte, mein scheinbares Wissen, ihn schon immer gekannt zu haben, mit einem Moment aus der Kindheit oder aus meinem späteren Leben, abzugleichen. Ohne Erfolg. Eine innere Stimme sagte mir, dass ich ihm vertrauen konnte, ich war jedoch nicht imstande zu sagen, worauf sich dieses Gefühl stützte, welche Erfahrung ich bereits mit ihm gemacht hatte. Mein Gedächtnis fand hierfür einfach keinen Beweis.
    Doch ich folgte ihm. Bislang konnte ich meinem Bauchgefühl immer vertrauen. Genau jetzt riet es mir, abzuwarten. Ich folgte ihm über die weißen Wege, direkt an dem wunderschönen Mondabbild vorbei, weiter auf das Gebäude zu. Bis zu diesem Moment hatte ich diesem keinen einzigen Blick gewürdigt, so sehr überwältigt war ich vom Anblick des Gartens. Nun jedoch, bei genauerem Hinsehen, war es genauso atemberaubend wie der Rest. Es hatte etwas von einer Villa, wie man sie oft in alten Filmen sehen konnte. Die Vergangenheit lag auf dem Gebäude praktisch zum Greifen nah. Ebenso wie die Magie. Es sah im wahrsten Sinne des Wortes bezaubernd aus.
    Malte und ich gelangten durch die große Eingangstür in ein riesiges Foyer, das dem Alter des Gebäudes entsprechend ausgestattet war. Eine weite Marmortreppe in der Mitte führte in das Obergeschoss. Von der offenen Decke hing ein riesiger Kronleuchter herab, der aus tausenden einzelnen Kristallen bestehen musste. Neben der Treppe standen ein kleines, altmodisches Sofa in blassrosa und zwei passende Stühle um einen antiken Holztisch herum. Ich konnte nicht sagen, ob er wirklich antik war, aber er wirkte zumindest sehr, sehr alt. Hier sah es aus, als wäre ich in einen historischen Film gefallen.
    Wir stiegen nicht die Treppe empor, sondern bogen nach links ab in einen Raum, den man wohl als Salon bezeichnen konnte. Es standen im Raum verteilt mehrere in Grüppchen geordnete kleine Tischchen mit Goldrändern, rundherum rote Sofas und Sessel. Ein großer offener Kamin spendete hier im Winter sicherlich behagliche Wärme. An der Wand befand sich eine Theke, hinter der zwei Männer diensteifrig warteten.
    Als wir eintraten, senkten sie nach einem kurzen Blick auf uns demütig die Köpfe. Auf einen Wink von Malte hin servierten sie uns zwei Gläser mit rotem Inhalt und verließen anschließend blitzschnell den Raum.
    Wir setzten uns an einen der kleinen Tische. Die darauffolgende Stille wurde immer unerträglicher. Um nicht nervös zu werden, achtete ich auf mein Ein- und Ausatmen, kontrollierte den polternden Herzschlag, der, wie es mir vorkam, den ganzen Raum erfüllte. Dann hielt ich es nicht mehr aus: »Ich glaube, du hast mir einiges zu erklären. Wie bin ich überhaupt hierhergekommen? Was soll ich hier? Und wo ist hier überhaupt?« Ich holte kurz Luft, damit mein nächster Satz etwas mehr Nachdruck erhielt. »Malte. Wo. Sind. Wir?«
    Malte atmete tief ein und sah mir direkt in die Augen, ehe er zu erzählen begann: »Du bist hier in dem Teil der Stadt, der den normalen Menschen verborgen ist. Sie gehen einfach daran vorbei, ohne die Magie des Ortes zu spüren oder zu beachten. Den Menschen heutzutage liegt nicht mehr viel daran. Sie denken, sie wüssten alles von der Welt dank Fernsehen und Internet. Kommt ihnen etwas seltsam vor, suchen sie im Netz nach Antworten - und bekommen die, die wir ihnen vorsetzen.«
    »Wer ist wir?«,
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