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Schwarzer Rauch

Schwarzer Rauch

Titel: Schwarzer Rauch
Autoren: Stefanie Hasse
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unterbrach ich seine Erzählung. Aber wollte ich die Antwort wirklich wissen? Das alles kam mir doch sehr seltsam vor, so unwirklich.
    »Wir sind sehr real«, fuhr Malte fort. Der Schreck schien mir im Gesicht zu stehen. Hatte ich den Gedanken laut ausgesprochen? »Uns gibt es schon seit mehreren tausend Jahren. Im Laufe der Zeit hat sich lediglich die Bezeichnung für uns verändert. Früher wurden wir als Götter verehrt, weil die Menschen die Möglichkeit des Übernatürlichen nicht imstande waren zu glauben. Wir hatten viele Namen und wurden in unterschiedlichen Kulturen immer anders genannt. Im alten Ägypten wurden wir unter anderem als Amun oder Atum verehrt. Die alten Römer kannten uns als Iuppiter, Iuno, Minerva und Venus, die bei den Griechen Zeus, Hera, Athene und Aphrodite entsprachen.
    Mit der Zeit verloren die Menschen den Glauben an Götter und wir wurden zu Schamanen oder einfachen Priestern. Nach der Aufklärung blieben nur noch wenige Gläubige übrig, die sich alle nur zu einem Gott bekannten oder keine Religion für sich beanspruchten und sich Nichtgläubige nennen. Diese Nichtgläubigen, vor allem die Wissenschaftler unter ihnen, versuchen ständig, unsere Existenz zu verleumden. Sie ahnen, dass ihre Erklärungen zur Weltordnung nicht immer anwendbar sind und verzetteln sich in widersprüchlichen Theorien, warum wir nicht real sein können.«
    Er schwieg einen Moment, nahm dabei einen Schluck aus dem Glas und fuhr fort: »Wir selbst nennen uns Kinder des Mondes . Unserer Legende nach wurde der erste von uns vom Mond selbst aufgezogen. Vielleicht kennst du die Geschichte? Eine Frau betete zum Mond und wünschte sich nichts sehnlicher als einen Mann. Der Mond ging auf ihre Bitte ein, wollte aber ihren erstgeborenen Sohn. Sie willigte ein und bekam ihren Mann. Beide waren dunkelhäutig, der Sohn aber war weiß wie der Mond. Der Mann verstieß das Kind und von nun an war er der Sohn des Mondes, der erste von uns. Über die Jahre wurde die Geschichte auch unter den Menschen weitererzählt, selbst ein Lied wurde darüber geschrieben.«
    »Hijo de la luna«, warf ich ein. Ich liebte dieses Lied. Malte sah mir in die Augen und nickte.
    »Aber was genau hat die ganze Mondgeschichte denn mit mir zu tun? Wenn ihr Götter seid, was tut ihr dann hier?«
    »Da hast du mich missverstanden, Victoria«, erwiderte Malte. »Ich sagte nicht, dass wir Götter wären. Wir wurden in früheren Zeiten nur für welche gehalten. In Wahrheit sind wir Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Magier oder, wenn du es so nennen willst, auch Zauberer. Wir sind auch nicht unsterblich, wie es Göttern immer nachgesagt wird. Bislang ist mir von denen aber keiner begegnet. Ich kann es also nicht mit Sicherheit sagen.« Er schmunzelte. »Nun aber zu dir.« Er sah mich mit einem durchdringenden Blick an, ehe er fortfuhr. »Du bist hier, weil du wie ein paar andere bei der Geburt auserwählt wurdest. Die dazu auserkorenen Kinder werden mit Lùna, dem Wasser aus der Quelle des Mondes, benetzt. Durch sie beziehen wir unsere Energie, unsere Kraft und behalten größtenteils unsere Jugend. Du wirst sicherlich immer jünger geschätzt, oder?«
    Das wurde ich tatsächlich. Aber es war nichts Außergewöhnliches. Meiner besten Freundin Sina ging es genauso. Für uns war es selbst mit unseren fast 19 Jahren noch schwer, in einem Geschäft Bier oder Zigaretten zu kaufen. Wir mussten jedes Mal den Ausweis vorlegen.
    »Nach der Taufe dauert es Jahre, bis wir Kontakt zu den Erwählten aufnehmen dürfen. Die Begleiter, wie ich es einer bin, formen nur die Erinnerungen in ihren Köpfen, damit das Urvertrauen in uns angelegt ist. Wir können es uns nicht leisten, dass einer der Neuen uns aus Nicht-Wissen bekämpft oder zur anderen Seite wechselt. Später können wir ganz normalen Umgang pflegen, als »Bekannte« oder »Freunde« auftreten. Bis zu der Nacht, in der ihr gerufen werdet.«
    »Und das ist heute Nacht?« Ich platzte vor Neugier.
    »Nein, heute schreiben wir eine der Erinnerungen, der Ruf folgt erst in ein paar Jahren. Du wirst später nicht mehr an die heutige Nacht denken, sie wird aus deinem Gedächtnis gelöscht. Erst nach dem Ruf wird sie wieder gegenwärtig sein, wie viele Nächte, die noch folgen werden.«
    Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Die Freude, auf etwas derart Außergewöhnliches, Spannendes gestoßen zu sein wurde schnell von der Empörung abgelöst, dass meine Erinnerungen manipuliert werden sollten. Konnte ich nicht sofort
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