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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Passagiere, die Neugierigen, die winkenden Verwandten und Bekannten. Nichts Auffälliges war zu bemerken. Gab es einen Beobachter, so stand er jetzt an dem Absperrzaun und winkte den Abfliegenden nach. Oder er flog mit, nach New York, wo der Oberinspektor Meyer in der Maske Dr. Hergartens abgeholt wurde und zum New Yorker Atomzentralinstitut gebracht werden sollte.
    Als die Maschine mit kreischenden Düsen sich in den Himmel hob, trank in Bonn in der Koblenzer Straße im Ministerium Ministerialrat Dr. Blatz einen Gedächtniskognak auf Dr. Hergarten.
    »Jetzt schwebt er durch die Wolken«, sagte er zu sich selbst und sah auf seine Uhr. »Gebe Gott, daß unser Plan keine Lücken hat.«
    An diesem Tag fuhr Lisa Hergarten nach Frankfurt und kaufte dort ein.
    Eine schwarze Perücke. Lange, glänzende Haare, die man offen wehen lassen konnte oder zu einem dicken Zopf flocht. Ein südländisch braunes Make-up. Wimperntusche, Eyeliner, Lidschatten. Einen dunkelroten Lippenstift. Ebensolchen Nagellack.
    Am Abend stand Lisa vor dem großen Spiegel des Schlafzimmers und sah sich an.
    Sie erkannte sich selbst nicht mehr.
    Eine exotische Schönheit blickte sie aus dem Spiegel an. Eine geheimnisvolle, dunkelhäutige Frau, umgeben vom Geheimnis ihrer Herkunft.
    Sie wischte das Make-up weg, legte etwas weniger Braun auf die Haut und fand es so gut.
    Wie ein Mensch sich verwandeln kann, dachte sie eiskalt. Und alles nur, um Rache zu nehmen.
    Eine Frau wie Lisa Hergarten betrügt man nicht!
    Auf dem ›Steubenhöft‹ in Cuxhaven war Hochbetrieb.
    Die Passagiere zur Jungfernfahrt der ›Ozeanic‹ kamen an Bord.
    Aus allen Teilen Europas kamen sie, per Wagen mit Chauffeur, mit Taxis aus Hamburg, mit dem Zug. Vor den Schaltern der Zollabfertigung standen sie Schlange, zeigten die Pässe, ließen die Koffer kontrollieren. Der riesige Aufenthaltsraum, sonst nüchtern, erdrückend ärmlich, mit einfachen Stühlen in Vierergruppen um noch einfachere Tische, war bunt und fröhlich geworden. Die Gangway der ›Ozeanic‹ war, durch die breiten Ausstiege im 1. Stockwerk des Aussichtshauses am Kai angelegt, der einzige Weg, um an Bord des großen Ozeanschiffes zu kommen. Hier empfingen die Zahlmeister, die Chefstewards und der II. und III. Offizier die Gäste, die den Zoll hinter sich hatten und an Bord gingen. Vom Lido-Deck der ›Ozeanic‹ klangen fröhliche Märsche über den Kai. Die Bordkapelle begrüßte die Passagiere. Von den Masten des Schiffes knarrten Fahnen im Wind, Hunderte von Möwen umflogen kreischend den weißen, riesigen Leib. Die beiden roten Schornsteine blendeten in der Sonne. Kapitän Selbach stand auf der rechten Seitenbrücke der Kommandobrücke und wartete auf ein Zeichen aus dem Aussichtshaus des ›Steubenhöfts‹. Dort sollte der II. Zahlmeister eine Fahne schwenken, wenn unten die drei Minister vorfuhren. Kapitän Selbach wollte die hohen Gäste dann selbst auf sein neues, herrliches Schiff geleiten.
    Lisa Hergarten war als eine der ersten Passagiere an Bord gegangen. Sie hatte richtig gerechnet: Franz war nicht einer der Frühzeitigsten. Der Kabinensteward führte sie zu ihrer Kabine 136. Es war ein schöner, ziemlich großer Raum mit einem kleinen Badezimmer, eingebauten Schränken aus Mahagoniholz, modernen Polstersesseln und einer die ganze Längswand einnehmenden Frisierkommode mit einem riesigen Spiegel. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Früchten. Ein Schild war darangelehnt.
    ›Wir begrüßen Sie an Bord und wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und eine gute Fahrt.‹
    »Haben Sie noch Wünsche, Madame?« fragte der Kabinensteward an der Tür.
    Lisa schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich läute, wenn ich etwas brauche.«
    Dann war sie allein. Sie ging zum verschraubten Fenster und starrte zum ›Steubenhöft‹ und zur Gangway. Ihre Kabine lag günstig; sie konnte sehen, wer an Bord ging. Wie auf einem Fließband glitten die Menschen an ihr vorbei, ohne daß sie gesehen werden konnte.
    Als sie das stolze Schiff betrat, hatte sekundenlang ihr Herz bis zum Hals geschlagen. Wie üblich, empfing sie am Ende der Gangway ein Offizier der ›Ozeanic‹ und der I. Zahlmeister, der ihre Schiffskarte mit der Passagierliste verglich und um ihren Paß bat.
    Lisa Hergarten reichte mit ruhiger Hand ihren alten Ausweis hin, ausgestellt auf ihren Mädchennamen Arthberg. Er war noch ein Jahr gültig, und da vor drei Jahren, als sie heiratete, niemand sie aufgefordert hatte, ihren Ausweis abzugeben oder ändern zu
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