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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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schnappte ich nach Luft.
    »Wir Tattertons nennen das Haus unserer Vorfahren liebevoll Farthy«, erzählte Tony mit leiser Nostalgie in der Stimme.
    »Als kleiner Junge war ich überzeugt, nirgendwo auf der Welt gäbe es ein so schönes Haus wie das, in dem ich lebte.
    Natürlich gibt es prachtvollere als Farthy, aber nicht für mich.
    Mit sieben schickten sie mich nach Eton, weil mein Vater der Meinung war, in England verstünde man mehr von Disziplin als an unseren Internaten. In diesem Punkt hatte er auch durchaus recht. Aber die ganze Zeit in England träumte ich davon, nach Hause, nach Farthy zu kommen. Jedesmal wenn ich Heimweh hatte – und das war fast immer –, machte ich die Augen zu und tat so, als ob ich die Balsamstauden, die Tannen und Pinien riechen könnte, und ganz besonders den Salzgeruch des Meeres. Und wenn ich dann aufwachte, tat mir alles weh und ich wollte nur die feuchte, kühle Morgenluft auf meinem Gesicht spüren. Solche Sehnsucht hatte ich nach meinem Zuhause, daß es körperlich weh tat. Mit zehn gaben meine Eltern Eton als einen hoffnungslosen Fall auf, und ich durfte zurück – und das war dann ein wirklich glücklicher Tag.«
    Ich konnte ihn verstehen, denn nie hatte ich ein so schönes und riesiges Haus gesehen, aus grauen Steinen gebaut, die irgendwie an ein Schloß erinnerten – sicher nicht ganz unbeabsichtigt, wie ich annahm. Auf dem steilen, roten Dach erhoben sich Türmchen und kleine, rote Brücken, die dabei halfen, Teile des hohen Daches zu betreten, die sonst nicht zugänglich gewesen wären.
    Vor den hohen, breiten Treppen, die zum Haupteingang führten, ließ Miles die Limousine anhalten. »Komm«, rief Tony, plötzlich in guter Stimmung, »gönne mir das Vergnügen, dir Farthy vorzustellen. Ich genieße die Gesichter der Leute, die es zum erstenmal sehen, denn dann kann ich es selbst wieder mit ganz neuen Augen betrachten.«
    Gemeinsam mit Jillian, die uns bedeutend weniger enthusiastisch folgte, stiegen wir langsam die enormen Steinstufen hinauf. Riesige Töpfe mit zierlichen japanischen Pinien waren links und rechts neben dem Haupteingang postiert. Und ich konnte es kaum erwarten, das Innere zu sehen. Das Elternhaus meiner Mutter! Bald würde ich drinnen sein, bald ihre Räume und ihr Hab und Gut sehen.
    Mutter, endlich bin ich zu Hause!
    2. KAPITEL

    FARTHINGGALE MANOR

    Nachdem ich meinen Mantel ausgezogen hatte, begann ich mich drinnen im Haus langsam im Kreis zu drehen, atemlos, mit weit aufgerissenen Augen. Ich starrte und starrte, bis ich viel zu spät begriff, wie ungezogen das war, wie provinziell und linkisch, von Dingen beeindruckt zu sein, die anderen selbstverständlich waren. Mißbilligend blickte mich Jillian an, Tony dagegen mit Vergnügen. »Ist es denn das, was du dir vorgestellt hast?« fragte er.
    Ja, und es war mehr als ich zu hoffen gewagt hatte! Trotzdem erkannte ich, was es wirklich war: Der Gegenstand meiner Sehnsucht in den Bergen, mein Traumbild.
    »Heaven Schatz, ich muß mich beeilen«, fiel es Jillian wieder ein, und auf einmal klang sie ausgesprochen fröhlich. »Sieh dich um, so lange du willst, und fühle dich im Schloß des Spielzeugkönigs ganz wie zu Hause. Schade, daß ich nicht dableiben kann, um deine ersten Eindrücke zu beobachten, aber ich muß mich beeilen, mein Schläfchen zu halten. Tony, führe doch Heaven Schatz durch dein geliebtes Farthy und dann zeige ihr ihre Räume.« Charmant und bittend lächelte sie mich an und machte damit einiges wieder gut, denn schon wieder ließ sie mich im Stich. »Liebes, verzeih mir meine Eile für meine eigenen Bedürfnisse. Aber später wirst du noch so viel von mir sehen, daß dich meine immer gleiche Art noch langweilen wird. Außerdem wirst du entdecken, daß Tony zehnmal so interessant ist – und er braucht nie ein Schläfchen, seine Energie ist grenzenlos. Er hat auch keine Gesundheits-oder Schönheitsvorschriften und ist im Nu angezogen.« Sie sah ihn äußerst merkwürdig an, irritiert und neidisch zugleich.
    »Irgend jemand dort droben muß ihn gern haben.« Sie wirkte jetzt heiter, als ob Schläfchen, Schönheitsregeln und die Aussicht auf eine Party ihr mehr Unterhaltung bieten könnten als meine Person. Elegant und eilig, ohne ein einziges Mal umzuschauen, trippelte sie die Treppe hinauf. Und ich stand völlig verschüchtert da, starrte hinauf.
    »Komm, Heaven«, meinte Tony und bot mir seinen Arm,
    »wir werden noch die große Besichtigungstour machen, bevor wir in deine
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