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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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drückte. »Dein Vater sagte, er rufe aus Winnerow an. Er und deine Mutter hätten dort die ganzen Jahre ihrer Ehe verbracht.
    Mochtest du Winnerow?«
    Zuerst weigerte sich meine Zunge, zu sprechen, aber als sich das Schweigen ausdehnte und unerträglich schwer wurde, fand ich endlich etwas, das nicht ganz eine Lüge war. »Ja, ich mag Winnerow ganz gern.«
    »Das klingt gut. Wir würden die Vorstellung, Leigh und ihr Kind wären unglücklich gewesen, nicht ertragen können.«
    Ganz kurz gestattete ich mir, ihm in die Augen zu schauen, bevor ich wieder, fast blind, auf die vorbeihuschende Landschaft starrte. Dann fragte er: »Wie hatte deine Mutter deinen Vater kennengelernt?«
    »Bitte, Tony!« rief Jillian, offensichtlich sehr schmerzlich bewegt. »Habe ich nicht gerade betont, ich sei viel zu aufgewühlt für einzelne Details? Meine Tochter ist tot und jahrelang hat sie mir nicht geschrieben! Kann ich ihr das einfach vergeben und vergessen? Ich habe auf ihren Brief gewartet und gewartet, auf ihre Bitte, ich möchte ihr verzeihen! Sie hat mich verletzt, als sie weglief! Monatelang habe ich geweint! Ich hasse es, zu weinen, und das weißt du genau, Tony!« Hart und rauh klang ihr Schluchzen, als ob echtes Schluchzen für ihre Kehle ganz neu wäre. Dann betupfte sie wieder mit dem Stückchen Spitzenstoff ihre Augen. »Leigh wußte, daß ich tiefe Gefühle habe und verletzlich bin; sie wußte, ich würde leiden, aber das war ihr egal. Sie hat mich nie geliebt. Cleave war es, den sie am meisten liebte, und in Wahrheit hat sie dazu beigetragen, ihren Vater zu töten. Denn der wurde nie mehr so wie früher, nachdem sie gegangen war… Und so habe ich mich entschlossen, mir mein Glück durch den Kummer über Leigh nicht rauben zu lassen, den Rest meines Lebens nicht mit Wehklagen zu ruinieren.«
    »Nun, Jill, ich hatte keine Sekunde geglaubt, du würdest dein Leben durch Kummer ruinieren lassen. Außerdem solltest du daran denken, daß Leigh siebzehn Jahre ihres Lebens mit einem Mann verbrachte, der sie anbetete. So war’s doch, Heaven?« Ich starrte weiter blind zum Seitenfenster hinaus.
    Lieber Gott, wie konnte ich das beantworten, ohne meine Chancen zu verderben? Wenn sie es wüßten – aber offensichtlich hatten sie keine Ahnung –, könnte das ihre Haltung mir gegenüber verändern. »Es sieht nach Regen aus«, antwortete ich nervös und starrte aus dem Fenster.
    Ich lehnte mich in den üppigen Ledersitz und versuchte, mich zu entspannen. Jillian war nun seit knapp einer Stunde ein Teil meines Lebens, und schon hatte ich den Eindruck, sie hatte kein Interesse an den Problemen anderer, weder an meinen noch an denen meiner Mutter. Noch stärker biß ich mir auf die Unterlippe und versuchte meine Gefühle zu verbergen. Und dann, wie es manchmal bei segensreichen Notlügen passiert, kam mein Stolz mit ganzer Macht zurück. Ich richtete mich auf, schluckte meine Tränen hinunter, der Klumpen im Hals verschwand. Ich straffte meine Schultern und zu meinem größten Erstaunen klang meine Stimme kräftig, ehrlich und völlig unschuldig: »Mutter und Vater haben sich in Atlanta kennengelernt und sich auf den ersten Blick verliebt. Daddy brachte sie dann ganz rasch zu seinen Eltern nach West Virginia, damit sie ein ordentliches Haus hätte, um dort die Nacht zu verbringen. Sein Elternhaus lag nicht genau in Winnerow, sondern mehr am Rande. Sie haben kirchlich geheiratet, mit Blumen, Trauzeugen und einem Priester, der den Hochzeitssegen sprach. Später fuhren sie dann für die Flitterwochen nach Miami, und als sie zurückkamen, ließ Daddy, nur meiner Mutter zuliebe, ein neues Bad an unser Haus anbauen.« Schweigen!
    Ein tödliches Schweigen, das ungeheuer lange anhielt –
    glaubten sie etwa meine Lügen nicht?
    »Nun, das war sehr nett und aufmerksam«, murmelte Tony, wobei er mich sehr merkwürdig ansah. »Ein neues Badezimmer, darauf wäre ich nie gekommen, aber praktisch, sehr praktisch.« Jillian saß da und hatte den Kopf weggedreht, als ob sie keine Einzelheiten aus dem Eheleben ihrer Tochter wissen wollte. »Wie viele Leute lebten denn bei deinen Eltern?« bohrte Tony weiter.
    »Nur Granny und Großpapa«, verteidigte ich mich. »Sie waren verrückt nach meiner Mutter, so sehr, daß sie sie nur Angel riefen. Da ging es Angel hier und Angel da, sie konnte einfach nichts falsch machen. Du hättest meine Granny gemocht. Sie ist vor einigen Jahren gestorben, aber Großpapa lebt noch immer bei Pa.«
    »Und an welchem Tag,
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