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Schwarzer Engel

Schwarzer Engel

Titel: Schwarzer Engel
Autoren: V.C. Andrews
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so früh wie möglich Großmutter werden! Das war ein Grund zum Angeben, man war stolz darauf. Meine eigene Granny wurde mit achtundzwanzig Großmutter. Allerdings blieb der erste Enkel nicht einmal ein Jahr am Leben. Trotzdem, diese Granny hatte mit fünfzig ausgesehen wie achtzig oder sogar noch älter.
    »Ist gut, Tante Jillian«, murmelte ich kleinlaut.
    »Nein, Liebes, nicht Tante Jillian, nur Jillian. Titel wie Mutter, Tante, Schwester oder Frau konnte ich nie ausstehen.
    Mein Vorname genügt.«
    Ihr Mann neben mir lachte vor sich hin. »Ein wahreres Wort hast du nie gehört, Heaven, und mich kannst du Tony nennen.«
    Bestürzt sah ich ihn an. Er grinste unverschämt.
    »Sie kann dich ja ›Großvater‹ nennen, wenn sie will«, erklärte Jillian kühl. »Schließlich, mein Schatz, scheint es dir ja gut zu tun, familiäre Bindungen zu haben, oder?«
    Hier waren Untertöne, die ich nicht verstand. Ich sah von einem zum anderen und achtete so wenig auf die Richtung, die unser riesiges Auto einschlug, bis die Straße in eine Autobahn überging. Dann bemerkte ich einen Hinweis, daß wir nach Norden fuhren. Verunsichert über meine Situation, versuchte ich noch einmal, herauszufinden, was Pa ihnen während seines Ferngesprächs erzählt hatte.
    »Äußerst wenig«, antwortete Tony, da Jillian den Kopf gesenkt hielt und die Nase verzog, ob wegen einer Erkältung oder aus Rührung, konnte ich nicht sagen. Ihr Spitzentaschentuch berührte ab und zu geziert ihre Augen.
    »Dein Vater schien ein amüsanter Kerl zu sein. Er erzählte, du habest vor kurzem deine Mutter verloren, und der Kummer habe dich in tiefe Depression gestürzt. Natürlich wollten wir alles tun, um zu helfen. Es hat uns immer weh getan, daß deine Mutter jeden Kontakt mit uns abgebrochen hat, oder uns auch nur wissen ließ, wo sie war. Ungefähr zwei Monate, nachdem sie fortgelaufen war, schrieb sie uns eine Karte. Sie schrieb, es ginge ihr gut, aber danach kam nichts mehr. Wir versuchten alles, um sie zu finden, schalteten sogar Detektive ein. Aber die Karte war so verwischt, daß der Stempel nicht zu entziffern war, obendrein war das Foto von Atlanta und nicht von Winnerow in West Virginia.« Er unterbrach und legte seine Hand auf meine. »Liebstes Mädchen, uns beiden tut es unendlich leid, vom Tod deiner Mutter zu erfahren. Dein Verlust ist auch unserer. Wenn wir nur irgend etwas von ihrem Zustand gewußt hätten, bevor es zu spät war, es hätte so viele Möglichkeiten gegeben, ihre letzten Tage schöner zu gestalten.
    Ich glaube, dein Vater erwähnte – Krebs…«
    Oh, Gott, nein!
    Wie schrecklich von Pa, so zu lügen!
    Meine Mutter war in den ersten fünf Minuten nach meiner Geburt gestorben, gleich nachdem sie mir einen Namen gegeben hatte. So viel Lug und Trug ließ mir das Blut in den Adern gefrieren und mich erstarren. In meinem Magen blieb ein dumpfer Schmerz, ich fühlte mich elend. Es war nicht fair, mir Lügen vorzusetzen, um darauf ein solides Fundament für eine glückliche Zukunft zu bauen! Aber das Leben war nie fair zu mir gewesen, warum sollte ich jetzt etwas anderes erwarten? Verflucht sollst du sein, Pa, weil du nicht die Wahrheit gesagt hast! Es war Kitty Dennison, die vor ein paar Tagen gestorben war! Kitty, die Frau, der er mich für fünfhundert Dollar verkauft hatte! Kitty, die so unbarmherzig war mit ihrem kochend heißen Bad, ihrem Jähzorn und raschen Prügeln, bevor ihr die Krankheit die Kraft dazu geraubt hatte.
    Während ich mit zusammengepreßten Knien dasaß und meine Hände im Schoß verkrampfte, bedacht, sie nicht zu Fäusten zu ballen, erkannte ich verzweifelt, daß diese Lüge vielleicht ein cleverer Schachzug von Pa gewesen war.
    Hätte er ihnen die Wahrheit erzählt, daß meine Mutter schon vor Jahren gestorben war, vielleicht wären sie dann nicht bereit gewesen, einem Hillbilly Mädchen zu helfen, das sich ja schon an sein Leben als Waisenkind gewöhnt hatte, gewöhnt war, ohne seine Mutter auszukommen.
    Jetzt war die Reihe an Jillian, mich zu trösten. »Liebste Heaven, sehr, sehr bald schon werde ich mich mit dir zusammensetzen und dir tausenderlei Fragen über meine Tochter stellen«, wisperte sie heiser, wobei sie aufschnupfte und ganz vergaß, ihre Tränen abzuwischen. »Momentan geht es mir zu nahe, ich bin viel zu aufgerührt, um mehr zu hören.
    Bitte verzeih mir, mein Schatz.«
    »Aber ich wüßte jetzt gerne mehr darüber«, widersprach Tony, wobei er meine Hand, die er wieder ergriffen hatte,
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