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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde
Autoren: Christine Feher
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Arm, fast berühren sich unsere Köpfe, weil wir uns krümmen vor Kichern. Lächelnd reicht uns die Stewardess die kleinen Papiertüten zu den Bechern, beinahe synchron schütten wir unseren Pfeffer in den Saft.
    »Prost«, lacht Corvin und stößt seinen Becher leicht gegen meinen. »Auf uns, die Black Hour - und Tomatensaftzwillinge.« Und da ist er plötzlich wieder, dieser fassungslose Blick von ihm, mit dem er mitten im Lachen innehält und mein Gesicht streichelt, als hätte er nie etwas Schöneres gesehen. Es ist so ein Wunder.
    »Schon verrückt, diese Parallelen zwischen uns«, murmelt er. Ich kann nur nicken, mit meinem Strohhalm im Mund und die Augen ebenfalls auf ihn gerichtet, antworten kann ich nichts, ich glaube, wir wissen beide nicht, wie wir weitermachen sollen. Den Augenblick genießen, nicht gleich zu viel erwarten, nichts zerstören. Einander berühren, ohne uns anzufassen.
    Das Flugzeug ruckelt erneut leicht, durch die Bewegung neigt er sich ganz leicht zu mir hinüber, auch ich kann meinen Blick nicht von ihm wenden. Jetzt könnte er mich küssen; in diesem Moment möchte ich nichts lieber als genau das. Corvins Lippen spüren. Aber durch die Erschütterung schreckt er auf, verschüttet ein wenig Tomatensaft auf sein Shirt, zum Glück ist es schwarz, da sieht man es nicht, dennoch versucht er den Fleck mit seiner Serviette aufzunehmen, aber das Material saugt nicht auf. Der Moment ist vorbei. Danach ist es nicht leicht, das Gespräch wieder in Gang zu bringen; Corvin verfolgt angespannt die Bewegungen des Flugzeugs. Die Musik, denke ich; über die Musik kriege ich ihn am besten zurück. Ich muss ihn ablenken.
    »Warum schreibst du deine Texte auf Englisch und nicht auf Deutsch?«, frage ich ihn also. »Ich mach das bei meinen Gedichten auch. Vieles kann man auf Englisch treffender ausdrücken, finde ich. Und trotzdem bleibt eine gewisse Distanz, weil es eben nicht die Muttersprache ist. Ich habe weniger das Gefühl, zu viel von mir preiszugeben, als wenn ich auf Deutsch schreibe.«
    »Genau!«, ruft er aus. »Das ist genau der Punkt. Bist du gut in Englisch? Warst du gut, meine ich, denn du studierst ja bestimmt schon?«
    »Durch Songtexte habe ich mehr Englisch gelernt als in der Schule«, weiche ich aus. »Deshalb kaufe ich mir auch immer noch CDs, statt alles aus dem Netz zu ziehen. Ich lese einfach gerne die Texte in den Booklets mit.«
    »Sehr lobenswert.« Corvin lacht erneut. »Immer am Ball bleiben, dann verlernst du die Sprache auch nicht.« Er trinkt seinen Saft aus. »Jetzt klinge ich schon wie ein Schulmeister, oder?«
    »Schlimmer. Am besten, ich geh für ein Jahr in die USA , und wenn ich wiederkomme, kann ich besser Englisch als du.«
    »Wehe!«, droht er, und ich weiß nicht, was er meint; kann nicht erraten, ob er nicht will, dass ich für ein Jahr verschwinde oder ihn mit meinen Englischkenntnissen überrunde. Jetzt klug sein, ermahne ich mich. Ich lasse es so stehen, bohre nicht nach. Will den Zauber zwischen uns erhalten. Es ist so schön mit ihm, fast unerträglich schön. Diese Zärtlichkeit in seinem Blick, dieses vertraute und doch schwebende Gefühl in mir; noch nie habe ich mich jemandem auf Anhieb so verbunden und doch so stark und frei gefühlt wie in seiner Nähe. Ich will ihn nicht gleich wieder vermissen, es hat keine Zukunft, ich werde ihm sowieso zu jung sein, gewiss gibt es Frauen in seinem Leben, mit denen ich nicht konkurrieren kann, weil ich noch kaum etwas vom Leben weiß im Vergleich zu ihm, und erst recht nicht von der Liebe, nach dem Fiasko mit Manuel. Also mache ich einfach weiter, plaudere mit ihm, lenke das Gespräch in eine andere Richtung, frage ihn nach Pubs und Clubs, die er in England besucht hat. Die Stewardess kommt erneut vorbei, sammelt die leeren Becher ein und fragt, ob jemand von uns eine Zeitung möchte, doch wir lehnen beide ab. Wir haben noch jeder einen der beiden Ohrhörer eingesteckt; nach Corvins eigenen Songs läuft nun andere Musik, ganz leise nur, wir reden weiter miteinander über alles, was uns gerade durch den Kopf geht. Ich spüre, dass wir beide jede Sekunde miteinander auskosten.
    Der Pilot kündigt den Sinkflug an, in gut zwanzig Minuten werden wir bereits in Berlin landen. Frag mich nach meiner Handynummer, flehe ich stumm; oder nach der E-Mail-Adresse. Frag mich nicht. Frag mich. Nein, lieber nicht, wo soll das auch hinführen. Frag mich doch.
    Beim Landeanflug bemerke ich erneut die Anspannung, die von Corvins Körper
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