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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde
Autoren: Christine Feher
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ist einfach nur da. Für Luna da.
    »So könnte ich jetzt einschlafen«, sagt sie und schließt tatsächlich die Augen, gibt sich seiner Wärme und den sanften Wellenbewegungen des Flusses hin. »Bei dir habe ich das Gefühl, nach einer langen Reise endlich angekommen zu sein.«
    Falk küsst ihre Wange. »Schön«, sagt er. »Dann ist es auch so.«
    Eine Weile spricht keiner von ihnen. Luna lauscht dem Plätschern des Wassers, dem leichten Rascheln der Blätter, wenn eine Brise die Zweige über ihnen bewegt, dem fernen Rauschen des spätabendlichen Stadtverkehrs. Jetzt könnte er mir wirklich etwas über sich verraten, denkt sie. Etwas über seine Vergangenheit, seinen Beruf. Niemand kann uns hören, und wahrscheinlich hat keiner von uns je eine solche Nähe zu einem anderen Menschen verspürt. Irgendetwas muss mit ihm sein, das ihn so verletzlich macht. Vielleicht hat ihm jemand einmal sehr wehgetan. Ein Mädchen?
    Aber Luna wagt nicht, noch einmal zu fragen, und Falk schweigt.
    Bestimmt eine halbe Stunde haben sie ganz still gesessen und dem sanften Schaukeln des Bootes nachgespürt, als Falk sich plötzlich aufrichtet. Sofort beginnt das Boot wieder zu schwanken, Luna stützt sich mit dem Arm ab, bemerkt, dass Falk die Ruder aufnimmt und in die vorgesehenen Halterungen schiebt.
    »Halt mal fest«, sagt er und macht sich schon am Tau zu schaffen, während Luna die Ruder übernimmt und darauf achtet, dass ihr keines aus der Hand rutscht, sie friert jetzt doch, der Wind hat zugenommen und die Feuchtigkeit, die vom Fluss aufsteigt, kriecht ihr unter die Kleidung.
    »Was hast du vor?«, fragt sie, aber er hat das Boot schon losgemacht und setzt sich hin, nimmt ihr die Ruder wieder ab, Luna zieht ihre Jacke enger um die Schultern. Gleichmäßig durchpflügen die Ruder das schwarze Wasser, Luna beobachtet erstaunt, wie rasch sie sich vom Ufer entfernen.
    »Gute Idee, diese Mondscheinfahrt«, sagt Falk und lacht leise, seine Stimme klingt jetzt anders, denkt Luna, aber vielleicht liegt das an der Stille ringsum, an der Weite, an der bald hereinbrechenden Nacht. Nach kurzer Zeit sieht sie ein anderes Ufer, näher als das, von dem sie abgelegt haben. Falk rudert mit gleich bleibendem Tempo, seine Kräfte scheinen nicht nachzulassen, seine Augen fixieren abwechselnd Luna und das Ufer, seine Lippen sind zusammengepresst und auf der Stirn meint Luna kleine Schweißperlen zu entdecken, er hätte das nicht tun müssen, denkt sie, so eine romantische Bootsfahrt hätten sie besser im nächsten Frühjahr unternommen. Luna fröstelt, die letzten Meter, bis sie wieder anlegen können, erscheinen ihr endlos, Falk redet nicht mehr, und an dem Ufer, das sie jetzt ansteuern, entdeckt sie nirgends ein Licht, keinen Hinweis darauf, dass vielleicht noch ein Ausflugslokal geöffnet sein könnte. Gegen einen Glühwein oder eine heiße Schokolade hätte sie jetzt nichts, aber an einem feuchten Oktoberabend rechnet kein Gastwirt mit Besuchern, die so spät noch einkehren.
    Inzwischen haben sie das Ufer fast erreicht. Falk rudert nun langsamer, ab und zu streift das Boot am Schilf entlang, Luna denkt daran, dass sie als Kind immer gern die Hand ins Wasser gehalten hat, um zu testen, wie kalt es ist; hier traut sie sich nicht. Sie fürchtet, sich die Finger am Schilf aufzuschneiden oder von einem Fisch gebissen zu werden, sie weiß, dass das unwahrscheinlich ist, doch sie kann sich nicht dagegen wehren. Sie sitzt ganz starr, zum Frieren kommt jetzt die Müdigkeit hinzu, sehnsüchtig denkt sie an, ihr Bett zu Hause, an ihre dicke Daunendecke, eigentlich wollte sie nicht so spät schlafen gehen, bald fängt die Uni an und sie wollte schon vor dem ersten Tag zu einem normalen Tages- und Nachtrhythmus finden, um nicht schon ausgelaugt zu den ersten Vorlesungen zu gehen. Sie spürt, dass ihre Blase drückt.
    Endlich hat Falk eine Stelle gefunden, wo er das Boot festmachen kann, einen Ast, der liegend ins Wasser ragt. Falk beherrscht den richtigen Knoten auch in der Finsternis, springt aus dem Boot und reicht Luna die Hand, damit auch sie an Land gehen kann. Hier ist es nicht mehr so unheimlich, im Sommer ist dies sicher eine verschwiegene kleine Badestelle, Lunas Füße stehen auf hellem nassem Sandboden, nachdem auch sie gesprungen und in Falks Armen gelandet ist. Er scheint sich auszukennen. Sie schmiegt sich dicht an seinen Körper.
    »Du zitterst«, stellt er fest und drückt einen Kuss auf ihr Haar. »Wir bleiben nicht lange. Aber diese Insel ist
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