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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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einzusteigen, und fragte mich, wie ich wohl am besten den alten Standtresor überlisten sollte, den ich hinter dem Schreibtisch des Ladenbesitzers entdeckt hatte.

Vier
     
    Auf eins konzentriere ich mich beim Schreiben meiner Michael-Faulks-Romane ganz besonders, und das sind Hindernisse. Indem ich meinem Helden so viele Steine wie nur irgend möglich in den Weg lege und ihm das Leben nach allen Regeln der Kunst schwer mache, hoffe ich, meine Leser zu fesseln und ihre Neugier darauf zu wecken, wie die Geschichte weitergeht. Eine sehr wirkungsvolle Methode, die sich im Laufe der letzten Jahre mehr als bewährt hat. Wobei es mich allerdings gehörig wurmte, dass irgendwer jetzt genau denselben Kunstgriff bei meiner Wenigkeit anzuwenden schien.
    Nehmen wir zum Beispiel meinen Entschluss, in den Buchladen einzubrechen. Das hörte sich leichter an, als es war. Ich hatte mir geschworen, mich hier in Venedig ganz allein aufs Schreiben zu konzentrieren – weil ich wissen wollte, ob ich einen anständigen Krimi zustande bringen konnte, wenn ich mich mehr auf den Krimi und weniger auf meine kriminelle Karriere konzentrierte –, und ich hatte ein schlechtes Gewissen bei der Vorstellung, mein Versprechen nicht einzuhalten.
    Noch unerquicklicher wurde die ganze Angelegenheit, weil ich mir das nicht nur selbst geschworen, sondern auch Victoria hoch und heilig versprochen hatte, und ich erinnerte mich noch ganz genau, wie sehr sie sich über diese gute Nachricht gefreut hatte. Zugegeben, sie fand die verrückten Geschichten, in die ich immer wieder hineinschlitterte, zwar durchaus unterhaltsam, und ich hegte schon seit Längerem den Verdacht, dass sie die dunkle Seite meiner Persönlichkeit durchaus gewinnend fand, aber kennengelernt hatten wir uns damals durch meine Arbeit als Autor. Als Allererste hatte sie an mich und mein schriftstellerisches Talent geglaubt und nicht im Geringsten daran gezweifelt, dass meine Geschichten eines Tages ein breiteres Publikum finden würden. Nur ihretwegen hatte ich mich an einen ambitionierten Thriller herangewagt, wie ich ihn mir sonst wohl nie zugetraut hätte – und sie hatte genauso viel Anteil daran wie ich selbst, dass ich mich dazu entschlossen hatte, mich ganz meiner Schriftstellerkarriere zu widmen und einen Schlussstrich unter meine Gaunerkarriere zu ziehen.
    Deshalb also fand ich mich kurz nach Mitternacht in der ziemlich seltsamen Lage, mich aus meiner eigenen Wohnung schleichen zu müssen (wie ein Dieb in der Nacht sozusagen), um ungesehen nach draußen zu gelangen .
    Zum Glück schnarchte Victoria friedlich, was ich als aufmerksamer Beobachter der menschlichen Spezies als sicheres Zeichen dafür deutete, dass sie schlief. Vorsichtig schob ich ihre Tür ein wenig auf und spähte hinein. Tatsächlich schlummerte sie tief und fest, die Augen geschlossen, den Mund halb offen und die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen. Eigentlich hätte ich wohl erleichtert sein sollen, weil es so viel einfacher war, unbemerkt die Wohnung zu verlassen, aber um ehrlich zu sein, war ich etwas angefressen.
    Warum? Na ja, schließlich hatte ich ihr vorhin erst mein neues Manuskript gegeben. Und zugegeben, ich war ziemlich nervös gewesen, weil ich viel Zeit und Energie in diesen Roman gesteckt hatte, und eigentlich stand und fiel die ganze Geschichte mit ihrem Urteil. Bei einer Sache war ich mir allerdings ganz sicher gewesen, und das war das erste Drittel des Buchs. Ich fand es mitreißend. Nicht aus der Hand legbar sogar. Und doch hatte Victoria das Manuskript einfach mitten in der Lektüre auf ihr Nachttischchen gelegt und war friedlich eingeschlummert.
    Ich trat den geordneten Rückzug an und ging wieder in mein Schlafzimmer, bemüht, mir diesen Affront nicht zu Herzen zu nehmen. Zu spät. Schon passiert. Was konnte ich bloß übersehen haben?, fragte ich mich. Oder vielmehr, was konnte sie übersehen haben? Und wie weit war sie wohl gekommen, ehe sie meine Arbeit acht- und lieblos beiseitegelegt hatte?
    Wäre ich ein ganz normaler Mensch, dann wäre ich nach reiflicher Überlegung sicher zu dem Schluss gekommen, dass ich ein bisschen überempfindlich reagierte. Schließlich war Victoria erst letzte Nacht durch einen Einbruch aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen worden. Außerdem blieb sie noch mindestens eine Woche. Vielleicht wollte sie meinen Roman ganz in Ruhe lesen und nicht bloß schnell, schnell überfliegen.
    Aber ich bin nun mal nicht normal – ich bin ein paranoider Schriftsteller –,
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