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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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eigentlich kein Grund zu der Annahme, dass mein Buch ausgerechnet dort drin sein sollte. Er könnte es überall versteckt haben. Womöglich wohnte er ganz in der Nähe, in einer mit wertvollen Bänden vollgestopften Wohnung, oder er hatte das gute Stück bei einer Bank in einem Schließfach hinterlegt, damit es vor Leuten wie mir gut verwahrt war, bis er es an irgendeinen verrückten Sammler wer weiß wo auf der Welt verscherbeln konnte. Aber der Laden war mein einziger Hinweis, und der einzige sichere Ort, den ich bisher ausgemacht hatte, war eben dieser Safe.
    Nun, ich sage zwar sicher, aber in Wirklichkeit war er natürlich alles andere. Im Schein meiner Taschenlampe war unschwer zu erkennen, dass es sich um einen gedrungenen, massiv wirkenden Klotz aus den 1940er- oder 50er-Jahren handelte. Er hatte einen dunkelblauen Emailleüberzug, und es hätte mich nicht gewundert, wenn die Farbe am Ende dicker gewesen wäre als das Metall. Mit einem ordentlichen Bohrer im Gepäck hätte ich das Ding sicher recht effektiv von der Seite in Angriff nehmen können. So aber richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den schlichten Schließmechanismus.
    Es gab keine Ziffernscheibe und erst recht kein elektronisches Tastenfeld. Nur ein Messingschlüsselloch und ein Sicherheitsschloss standen noch zwischen mir und dem Innenleben des Kastens, und nachdem ich mein Werkzeug nach dem richtigen Haken und einem stabilen Spanner durchsucht hatte, klemmte ich mir die Taschenlampe zwischen die Zähne und machte mich frisch ans Werk. Wenige Augenblicke später drehte sich die schwergewichtige Zuhaltung mit einem furchtbar hallenden Ächzen, der Messinggriff drehte sich, und ein Schwall abgestandener Luft wehte mir entgegen.
    Ich hielt mir die Hand vor den Mund und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. In der Mitte war ein Regalbrett, und darunter lagen vier Stoffbeutel. Die Beutel waren schwer. Ich nahm sie heraus, und als ich nachschaute, stellte ich fest, dass darin Euromünzen von unterschiedlichem Nennwert waren. Desinteressiert legte ich das Kleingeld wieder zurück. Mich interessierte nur mein Buch, nicht der schnöde Mammon.
    Auf dem Regal lagen zwei Bücher mit blauem Umschlag, der am Rand ganz zerfleddert war. Die Seiten waren vergilbt, und der Text war in einer mir unbekannten Sprache verfasst – Russisch womöglich. Enttäuscht griff ich nach dem Schlüsselbund, der unter den Büchern versteckt war. Daran baumelte ein Fiat-Schlüsselanhänger. Das Auto, zu dem er gehörte, stand wahrscheinlich auf der Piazzale Roma – vermutlich wurde es nur selten benutzt, stand aber praktischerweise allzeit bereit für eventuelle Ausflüge auf das italienische Festland. Ich legte ihn zurück in den Safe und nahm den letzten Gegenstand heraus.
    Ein Handy.
    Das Ding wirkte billig, mit großen gummiüberzogenen Tasten und einem schwach beleuchteten einfarbigen Display, auf der eine Telefonnummer stand. Sollte ich mir je ein Handy zulegen, dann genau so eins – ein absolut schnörkelloses Basismodell ohne jeglichen Schnickschnack, mit dem man nichts weiter tun konnte als telefonieren und an einem schönen Tag, wenn der Wind gerade richtig stand, vielleicht sogar die eine oder andere SMS verschicken. Eigentlich hätte man fast behaupten können, dass dieser schmucklose Klotz so gar nichts Bemerkenswertes hatte. Doch dafür hätte man den gelben Post-it-Zettel ignorieren müssen, der mitten auf der Tastatur klebte, und den Pfeil darauf, der nach oben auf die Taste mit dem kleinen grünen Hörer zeigte. Und ich hätte mich wirklich anstrengen müssen, um die Worte zu übersehen, die jemand darauf geschrieben hatte: Ruf mich an, Engländer.

Fünf
     
    Komisch, aber irgendwie widerstrebte es mir, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Und zwar nicht nur, weil ich manchmal ein sturer Hund sein kann, wenn mir jemand vorschreiben will, was ich zu tun und zu lassen habe, sondern auch, weil ich Gefahr erkenne, wenn ich sie sehe. Wie jeder anständige Einbrecher, der es vorzieht, sich nicht erwischen zu lassen, habe ich einen ziemlich ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb. Und wenn es je einen Moment gegeben hat, sich einfach sang- und klanglos umzudrehen und zu gehen, dann sagte mir mein Instinkt, war es dieser.
    Zwei Dinge schienen mir nämlich höchst wahrscheinlich.
    Erstens: Das Telefon war eigens meinetwegen im Safe deponiert worden. Schließlich hatte das Werbekärtchen, das ich in meiner Wohnung gefunden hatte, mich hierhergelockt, und die Notiz am
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