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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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Eins
     
    In meiner Wohnung war ein Einbrecher, und ausnahmsweise war ich es nicht.
    Was ich deshalb so genau wusste, weil der Eindringling im Wohnzimmer herumpolterte und gegen Möbelstücke stolperte, während ich mehr der katzenhaft-leise Typ bin. Außerdem hatte ich kein Schloss mehr geknackt, keinen Fuß mehr in ein fremdes Zuhause gesetzt und mir nirgendwo mehr ungebeten Zutritt verschafft, seit ich vor beinahe einem Jahr nach Venedig gekommen war. Aber was noch wichtiger ist – und das war für mich eigentlich das ausschlaggebende Argument –, ich lag zu diesem Zeitpunkt gemütlich im Bett und machte mir gerade, es war zu nachtschlafender Zeit gegen zwei Uhr morgens, ein paar Notizen.
    Wobei, streichen Sie das lieber. Ich möchte ganz ehrlich sein, also muss ich geradeheraus gestehen, dass ich nicht bloß ein Blatt Papier mit belanglosen Ideen vollkritzelte. Nein, ich zermarterte mir das Hirn, wie ich meinem neuesten Michael-Faulks-Krimi einen ganz besonderen Dreh geben und ihn zu etwas Außergewöhnlichem machen könnte; etwas, das mein Leben grundlegend verändern und meinen Durchbruch als Schriftsteller bedeuten würde. Leider war meine Konzentration nun empfindlich gestört, und der Grund dafür hörte sich verdächtig nach einem Einbruch an.
    Hmm.
    Schnell sprang ich in Boxershorts aus dem Bett und schlich zur Zimmertür. Vorsichtig spähte ich in den dunklen Flur, und tatsächlich, man konnte den Schein einer Taschenlampe ausmachen.
    Für gewöhnlich ziehe ich es vor – nennen Sie mich ruhig hoffnungslos altmodisch –, Wohnungen und Häuser auszurauben, wenn deren Bewohner nicht zuhause sind. Meiner Erfahrung nach gestaltet sich die ganze Sache dadurch für beide Seiten wesentlich angenehmer, und die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, sinkt erheblich. Leider schien mein unerwarteter Besucher ganz anderer Meinung zu sein. Entweder das, oder er war ein Amateur und Stümper, aber woran es auch liegen mochte, ich war nicht besonders scharf darauf, ihn mit der Nase auf seine offensichtlichen Fehler zu stoßen. Andererseits legte ich aber auch keinen gesteigerten Wert darauf, tatenlos zuzusehen, wie er mir das Fell über die Ohren zog.
    Also gut. Eine Schusswaffe hatte ich nicht und auch nichts, was als Attrappe herhalten könnte. In der Küche, gleich neben dem Wohnzimmer, lagen zwar jede Menge Messer, aber die Vorstellung, bedrohlich mit einer scharfen Klinge herumzufuchteln, war mir nicht ganz geheuer. Natürlich wäre es großartig, könnte ich den Eindringling damit so beeindrucken, dass er ganz weiche Knie bekäme, die Hände hoch nähme und sich brav und still ins Eckchen setzen und sich ergeben würde, während wir gemeinsam darauf warteten, dass die Jungs in azzurro mir zu Hilfe eilten. Aber mal angenommen, der Einbrecher würde sich auf mich stürzen und mir das Messer entreißen und es mir in einen weichen, fleischigen Teil des Körpers rammen, wo ich es lieber nicht hätte?
    Der Strahl der Taschenlampe wanderte gemächlich durch mein Wohnzimmer, als fühlte sich der Taschenlampenträger vollkommen sicher und zweifelte nicht im Geringsten daran, alle Zeit der Welt zu haben. Schließlich fiel das Licht so auf die verglaste Zwischentür, dass ich beinahe die Umrisse von Mr. Naseweis ausmachen konnte. Wie ein menschenfressendes Ungeheuer sah er nicht unbedingt aus, aber schmächtig wirkte er auch nicht. Er schien eher ein hundsgewöhnlicher Durchschnittstyp zu sein, abgesehen davon, dass der durchschnittliche Venezianer für gewöhnlich nicht spätnachts in fremde Wohnungen einstieg – vor allem dann nicht, wenn die Tür der betreffenden Behausung von einem erfahrenen Dieb mit Qualitätsschlössern gesichert worden war.
    Ich konnte mir ein kleines Lächeln im Dunkeln nicht verkneifen. Der Gedanke an die Tür hatte mich auf eine Idee gebracht. Nein, ich wollte nicht nach draußen laufen und die bewaffnete Bürgerwehr auf den Plan rufen – mir war bloß die Garderobe im Flur wieder eingefallen. Und der Regenschirm, der dort am Haken hing.
    Der Regenschirm war ungefähr so lang wie mein Bein, mit schwarzem Stoff bespannt und mit einem stabilen Holzgriff versehen. Wenn ich den in die Finger bekäme, könnte ich ihn schwingen wie eine Keule oder damit zustoßen wie mit einem Schwert. Und wenn es hart auf hart kam, könnte ich dem Kerl das Ding in den Mund rammen und es in seiner Speiseröhre aufspannen.
    Auf leisen Sohlen tappte ich in den Flur und schlich auf Zehenspitzen durch die Dunkelheit,
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