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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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in einer geneigten Schrift – unmöglich für mich, sie auf dem Kopf stehend zu entziffern.
    »Nein«, sagte er und schlug das Register mit einem endgültigen – und ziemlich staubigen – Knall zu.
    »Nein?«
    Kopfschüttelnd nahm er die Pfeife in die Hand.
    »Sind Sie sich ganz sicher?«, hakte ich nach.
    Diesmal gab er keine Antwort mehr. Hätte ich mich nicht mit meinen eigenen Ohren reden gehört, ich hätte geschworen, dass ich gar nichts gesagt hatte.
    »Also gut«, meinte ich. » Grazie mille.«
    » Prego.«
    An Victoria gewandt sagte ich: »Gehen wir.«
    »Das war’s?«
    »Er hat keins«, meinte ich achselzuckend. »Ich wüsste nicht, was wir sonst noch tun könnten.«
    Wir verließen den Laden. Ich ging hinter Victoria her, fest entschlossen, mich nicht mehr umzudrehen, obwohl ich gewettet hätte, dass wir beobachtet wurden. Victoria wartete, bis wir eine katzenbucklige Brücke überquerten, ehe sie ihr Urteil verkündete.
    »Na, das war ja vielleicht mal ein grummeliger Griesgram. Und nicht gerade hilfsbereit.«
    »Willkommen in Venedig.«
    Mit etwas versonnenem Blick schaute sie zu mir auf. »Meinst du, er hatte etwas zu verbergen?«
    Ich dachte kurz darüber nach. »Nein«, meinte ich schließlich.
    »Wirklich nicht?«
    Ich legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie freundschaftlich an mich. »Ich weiß, wir waren zwar nicht lange in dem Laden, aber ich habe keine wirklich raren Ausgaben gesehen. Das war kein Antiquariat mit seltenen Schätzchen.«
    »Ich weiß nicht, Charlie.«
    »Immer so misstrauisch.« Ich stieß sie mit der Hüfte an. »Fragst du dich nie, ob es nicht vielleicht besser wäre, nicht immer hinter jedem Menschen, dem du begegnest, die unerwartete Handlungswende zu vermuten?«
    Victoria machte ein Geräusch, das mich annehmen ließ, dass sie meine Bemerkung alles andere als amüsant fand, während ich den Kopf hob und sah, dass wir gerade die Piazza San Marco betraten, und zwar durch den Torbogen unterhalb des reich verzierten Glockenturms. Vor uns ragte der Campanile aus Backsteinen in den Himmel, und zu unserer Linken kletterte eine Horde Kinder auf zwei Löwenstatuen herum, die sich stoisch in ihr Schicksal fügten. Die glatt polierten Steinplatten waren mit Tauben und Touristen gesprenkelt. Ich reckte den Hals und bestaunte die Mosaike an der Fassade der vielkuppeligen Basilika. Im tristen grauen Licht schien es dem Gold und Gelb an Glanz zu fehlen. Ich konnte es ihnen nachfühlen.
    »Und jetzt?«, fragte Victoria. »Gehen wir zur Polizei?«
    Ich runzelte die Stirn. »Wieso sollten wir?«
    »Na ja, ich weiß, du bist nicht gerade ein großer Fan von deinem Freund und Helfer ...«
    »Weil die Polizei mit schönster Regelmäßigkeit versucht, mich festzunehmen, Vic. Und oft genug wegen der falschen Vergehen.«
    »Aber denk doch mal darüber nach, Charlie. Eine Einbrecherin. Von denen wird es sicher nicht allzu viele geben. Womöglich wissen die ja, wer sie ist.«
    »Darauf würde ich nicht wetten. Und ich denke mit Grauen daran, wie lange wir warten müssten, bis wir endlich mit jemandem sprechen könnten. Den ganzen Tag vermutlich.«
    Sie piekste mich mit dem Finger in die Brust. »Das Buch war ein Vermögen wert, verdammt.«
    »Ist es immer noch«, entgegnete ich. »Bloß ist es jetzt nicht mehr mein Vermögen.«
    Frustriert quiekte Victoria und stampfte mit dem Fuß auf. Nicht gerade klug. Ein Schwarm Tauben flog auf, wild mit den Flügeln schlagend, und nahm Kurs auf ihre Haare. Sie schrie auf, kurz und spitz, und wedelte hektisch mit den Armen, als hätte sie sich in eine Fledermaushöhle verirrt.
    Als die letzten Flugratten schließlich den Flugraum um ihren Kopf verlassen hatten, verfluchte sie mich kaum hörbar und biss sich auf die Lippen. »Mach mir nichts vor, Charlie. Du hast mir selbst erzählt, was dieses Buch dir bedeutet. Was es für deine Arbeit als Schriftsteller bedeutet.«
    Der Witz dabei war, dass Victoria nicht mal ansatzweise wusste, wie viel mir dieses Buch tatsächlich bedeutete. Den Falken zu stehlen war eins der größten Wagnisse, die ich je eingegangen war. Als professioneller Auftragsdieb ist es nicht gerade ein cleverer Schachzug, den eigenen Auftraggeber über den Tisch zu ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dabei erwischt zu werden, ist ziemlich hoch, weil der Verdacht automatisch auf den naheliegendsten Ganoven fällt. Und selbst wenn dir niemand etwas nachweisen kann, riskierst du es, deinen guten Ruf nachhaltig zu schädigen. Regel Nummer
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