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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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ist ja ein Fremdwort für dich, du Schwächling.«
    Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich es aus Anstand getan hatte. Dieses Wort kam ihr auf mich bezogen vermutlich etwas übertrieben vor. Ich holte mir ein Corona aus dem Kühlschrank, ohne ihr eins anzubieten, in der Hoffnung, sie wäre nicht mehr da, wenn ich mich wieder umdrehte. Aber sie war noch da. Und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Es gibt eine Möglichkeit, Klarheit in die Sache zu bringen«, sagte ich. »Ein DNA-Test.«
    Sie ging nicht in die Luft. Im Gegenteil: Ihr Gesicht zog sich zusammen wie eine Hand, wenn man sie in einen Gummihandschuh steckt. Sie begann zu weinen.
    Als ich sie in den Arm nahm, legte sie ihren Kopf an meine Brust. Das reichte schon, um die grenzenlose Zärtlichkeit von damals wieder in mir wachzurufen, ihre ausgeprägte Taille, ihren sinnlichen Hintern unter der Baumwollkleidung, das Peitschen des Salzwassers, meinen Kummer, von dem ich ihr bei Mojitos im La Floridita erzählt hatte, die weißen Haare, die von meinem Kopf auf den Tisch gefallen waren und mir das Gefühl gegeben hatten, langsam alt zu werden. Ich dachte an das Fleisch, das bei Frauen in Bewegung gerät, wenn sie anfangen zu rennen, das hatte ich schon immer schön gefunden. Mir kamen Zweifel, ob ich das Richtige tat. Es war nicht richtig, aber ich tat es trotzdem: Ich fuhr mit den Händen an Teresas Taille entlang und hielt auf der Rundung ihrer feurigen Pobacken inne. War es korrekt, sie in Gedanken als feurig zu bezeichnen? Ich wusste es nicht, aber das war nun einmal das Wort, das mir in den Sinn kam.
    Teresa hörte auf zu weinen und fragte: »Bist du dir sicher, Gil?«
    Ich antwortete, ich sei es nicht. Und dann liebten wir uns.

 
     
     
     
     
     
    W ir warteten in einem Büro mit avocadogrünen Wänden auf Carcaño, einem Büro mit einem schwarz lackierten Schreibtisch im chinesischen Stil, auf dem eines dieser typischen, im Garten aufgenommenen Fotos stand, auf dem der Mann abgetragene Sonntagsklamotten und den Gesichtsausdruck eines guten Menschen zur Schau stellt, während er drei kleine Kinder umarmt und seine Frau im Hintergrund steht, das Gesicht dem neugierigen Fotografen zugewandt.
    Wintilo machte mir ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. Carcaño würde meinen Vater suchen, wenn ich mich im Gegenzug dazu bereit erklärte, zur Kriminalpolizei zurückzukehren. Ich glaube nicht, dass es an meinen Qualitäten lag, dass er so insistierte, auch wenn mich Wintilo natürlich gut verkauft hatte. Glaubte Wintilo an meine Qualitäten? Ebenso wenig. Was er brauchte, war ein Zeuge für seinen gesellschaftlichen Aufstieg. Manchen Menschen bedeuten Geldscheine wenig, wenn sie niemandem damit im Gesicht herumwedeln können.
    Was meinen Vater betraf, war ich bisher den Weg des kleinen Mannes gegangen, also den Weg des Verlierers. Ich hatte eine Vermisstenanzeige auf dem Polizeirevier Benito Juárez aufgegeben. Ich hängte in unzähligen Metrostationen Steckbriefe auf. Ich bot drei Bekannten eine Belohnung an, die für zweitausend Pesos und eine Flasche billigen Rum ihre eigene Mutter vermöbelt hätten. Die größte Verzweiflungstat aber war, dass ich einen dieser Hellseher beauftragte, die in den Zeitungen direkt neben den Nutten annoncieren.
    Es nützte nichts. Der Grund dafür war offensichtlich, wollte mir jedoch nicht in den Kopf: Die Entführer hatten es nicht auf mein Geld abgesehen, sondern wollten mich in alle Ewigkeit dafür büßen lassen, dass ich ihnen das Geschäft versaut hatte, indem ich Alicia del Moral gerettet hatte.
    Jedes Kind weiß, dass ein hochrangiger Beamter der Kriminalpolizei mehr Wunder bewirken kann als Shango der Donnergott. Deshalb beschloss ich, diesem Aníbal Carcaño gebührend zu huldigen. Er betrat sein Büro und streckte mir seine gepflegte, kräftige Hand entgegen, bevor er bei seiner Sekretärin Kaffee für uns alle drei bestellte. Nachdem er es sich in seinem großen, knarzenden Stuhl mit der hohen Rückenlehne bequem gemacht hatte, sagte er: »Du hast dich ganz schön bitten lassen, GM.«
    »Nehmen Sie es mir nicht übel, ich bin nun mal ein Einzelkämpfer.«
    »Die kommen normalerweise nicht besonders weit …«
    »Wintilo sagt, Sie könnten mir helfen.«
    »Wintilo ist ein Plappermaul, findest du nicht auch?«
    Carcaños Lächeln war nicht unangenehm. Sein Scherz gefiel uns beiden, selbst Wintilo nahm ihn auf die leichte Schulter. Aber Carcaño wurde sofort wieder ernst und fragte: »Glaubst du,
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