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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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mir nicht die Mühe machte zuzuhören. Es schien ihm ein dringendes Bedürfnis zu sein, mich wissen zu lassen, dass man mich finanziell gesehen nicht im Regen stehen lassen würde.
    »Eines lass dir gesagt sein, Gil Baleares. Seinen Leuten gegenüber zeigt sich Aníbal Carcaño äußerst spendabel, aber Arschlöchern zeigt er den Finger, und sonst gar nichts.«
    Eine Gruppe Mariachis näherte sich.
    »Das nächste Lied ist für dich, Alter«, sagte Wintilo.
    Während die Mariachis den alten Klassiker Cartas marcadas anstimmten, mühte sich Wintilo in einem absurden, erbitterten Wettkampf, ihre Stimmen in Grund und Boden zu singen. Aus tiefster Brust verkündete er: » Mit Musik erwacht der Mond … Und die Sonne lässt auf sich warten … Ich will sie nicht mehr, deine Liebe, ich warte nicht mehr auf dich … Bei jedem Vergnügen bin ich der Erste … Zum Rhythmus, den ich dir spiele, hast du zu tanzen … Von heute an bin ich der Böse … Nur noch gezinkte Karten werde ich spielen, du wirst schon sehen, dass ich immer gewinne …«
    Ich beschloss, mich aus dem Staub zu machen.
    Ich hörte ihn rufen, er liebe mich, ich sei wie sein Bruder und wir würden die Herren der Stadt sein. Das alles sagte er noch mit Mariachi-Untermalung, weshalb ich davon ausging, dass es die Wahrheit war.
     
    Als ich aufwachte, hatte ich gleich drei Kater: Tequila, Teresa und den kleinen Saúl. Ich fuhr zu einer ihrer Angestellten, Irene Sandoval, Expertin für Overalls und Kreuzstich, die sich gerade die silbern lackierten Nägel trocken pustete. Ich kam gleich zur Sache und fragte sie, ob sie über das Baby Bescheid wisse. Sie sagte, ja, aber sie habe nicht gewusst, dass ich der Vater sei.
    »Bin ich auch nicht«, belehrte ich sie ernst.
    Sie lächelte höhnisch.
    »Ist Teresa in Schwierigkeiten? Weißt du, ob sie Geld braucht?«
    »Willst du dich von deiner Schuld freikaufen?«
    Blöde Zicke, dachte ich und verneinte. Ich bat sie, meinen Besuch für sich zu behalten, und machte mich schleunigst davon.
    Durch mein anständiges Verhalten beruhigt, schloss ich die Augen und versuchte mich zu erinnern, ob Saúls Gesicht Ähnlichkeiten mit meinem aufwies. Wenn man ehrlich ist, sehen Babys jedem ähnlich, auch wenn ich gehört habe, dass der Universalvater aller Babys Winston Churchill ist. Babys sind im wahrsten Sinne des Wortes hässlich. Der Unterschied zwischen ihnen und einem Erwachsenen ist, dass man keinen Ekel empfindet, wenn sie scheißen, sondern Zärtlichkeit. Zumindest halte ich mich für fähig, eine Windel zu wechseln, wenn ich eines Tages in die Verlegenheit kommen sollte.
    An diesem Nachmittag hatte ich zwei Besucher gleichzeitig. Ich stellte die beiden einander vor, aber es war offensichtlich, dass sie sich verabscheuten wie Kampffische. Und wenn ich von etwas eine Ahnung habe, dann von Kampffischen.
    »Ich muss gehen«, gab Wintilo vor. »Mir ist gerade eingefallen, dass ich einen Zahnarzttermin habe. Begleitest du mich nach unten, Gil?«
    Von Teresa verabschiedete er sich mit einer Grimasse, die sie ihm umgehend zurückgab.
    An der Eingangstür überschlug sich Wintilos Stimme fast: »Der Chef will dich so schnell wie möglich bei uns haben.«
    »Wie viel würde ich verdienen?«
    »Genug, und noch mehr, wenn du dich gut anstellst.«
    »Ich weiß trotzdem nicht, ob ich Interesse habe.«
    »Von was redest du da, du Wichser? Du wolltest den Job doch!«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden …«
    »Ach, Madame hat sich noch nicht entschieden? Machst du Witze? Brauchst du das Geld nun oder nicht?«
    »Wie jeder andere auch.«
    »Du hast also Hunger. Morgen um neun hole ich dich ab.«
    »Carcaño gefällt mir nicht.«
    »Du sollst ihn ja nicht vögeln.«
    »Teresa wartet auf mich.«
    »Teresa kann mich mal am Arsch lecken!«, brüllte Wintilo.
    Ich sah keinen Sinn darin, weiter zu diskutieren, und machte auf dem Absatz kehrt.
    »Entschuldige, Kumpel!«, lenkte Wintilo ein. »Merkst du nicht, dass sie nur darauf wartet, mit einem wirklich wichtigen Typen zusammen zu sein? Sei mir nicht böse, Alter.«
    Ich nickte und setzte meinen Weg fort.
    »Dann komme ich also morgen …«
    »Komm nicht. Ich geh nicht zur Kriminalpolizei zurück.«
    Ich ging die Treppe hoch.
    »Das wirst du bereuen, du verdammter Hurensohn!«, rief er.
    Kaum war ich zurück in der Wohnung, schnauzte Teresa: »Für wen hältst du dich, dass du zu Irene gehst und sie fragst, ob ich Geld brauche? Hab ich dich etwa um Geld gebeten, als ich hier war? Aber Moral
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