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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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todtraurig: Sie wuchs im Krankenhaus auf, weil sie an einem Herzgeräusch litt, und heiratete schon als junges Mädchen. Später wurden mehrere ihrer Kinder von Paramilitärs und Guerilleros getötet. Wenn sie Geschenke bekam, waren es immer Bügeleisen oder eine Waschmaschine oder Produkte, mit denen sie die Scheiße aus ihrem Haus schrubben konnte. Daher überraschte mich auch nicht, dass sie sich aus dem Staub gemacht hatte, mich überraschte nur, dass sie so höflich gewesen war, Bescheid zu sagen.
    Im Gegenzug erzählte ich Teresa, was mit meinem Vater passiert war, dass er Alzheimer hatte und Opfer der mexikanischen Entführungsindustrie geworden war. Ich erzählte es ihr, während uns im Meer vor Varadero die Wellen durchschüttelten, und die Aufzählung meiner Verletzungen brachte den Schmerz zurück. Teresa umarmte mich. Ihre Brustwarzen fühlten sich an wie zwei Gewehrpatronen. Glücklich lächelte ich sie an, und meine Würde richtete sich wieder auf. Ich nehme an, dass das meinem Schmerz ein wenig die Aufrichtigkeit nahm.
    Ich muss klarstellen, dass das mit Teresa kein Sextourismus war, ihr stand es genauso frei wie mir, die Insel zu verlassen. Seit 1992 wohnte sie in Mexiko, aber ihre Familie kam aus Bogotá oder Medellín, ich weiß es nicht mehr genau, sie nahm mich nie mit dorthin, um mich ihr vorzustellen. Dafür war keine Zeit, denn ohne kubanisches Bucanero-Bier ging unsere Beziehung bald den Bach runter.
    Schnee von gestern.
    Ich fuhr die Avenida Insurgentes entlang, von Nord nach Süd, ohne Teresas Gesichtsausdruck, als sie mich einen armen Teufel genannt hatte, aus meinen Gedanken verbannen zu können. Von den Kinderaugen der Rotznase Saúl ganz zu schweigen. Ich hatte Angst, wieder über den gleichen Stein zu stolpern, über den ich schon einmal gestolpert war. Ich hatte bereits eine Tochter, die ich genauso nannte, »Tochter«, weil ich nicht wusste, ob sie wirklich von mir war. Dass sich die Geschichte wiederholte, konnte ich nur verhindern, indem ich mein Herz hart und unempfindlich machte. Aber ich bin nun mal ein Typ mit einigermaßen menschlichem Gefühlsleben. Es gibt solche und solche Zweifel. Einige nagen an der Seele, andere sind unterhaltsam wie die Rätsel in der Sonntagszeitung. Ob sie an dir nagen oder dich unterhalten, hängt nicht etwa vom Kaliber des Zweifels ab, sondern davon, ob du Prinzipien hast oder nicht …
    Die Verabredung fand auf einer dieser Terrassen statt, auf denen man neben Kaffee den Gestank der Autos in sich aufnimmt, die wenige Meter von den Tischen entfernt an dir vorbeirauschen, Benzin verbrennen und dir mit ihrem Gehupe das Trommelfell zum Platzen bringen.
    Den Ort des Treffens hatte nicht ich vorgeschlagen, sondern Wintilo Izquierdo, ein alter Klassenkamerad von der Sekundärschule 148 und ehemaliger Kollege aus der Zeit, als ich noch Polizist mit Gehaltsscheck, Sozialversicherung und abgegriffenem Revolver war. Wintilo hatte darauf bestanden, mich seinem Chef vorzustellen, einem ganz hohen Tier, damit der mir einen anständigen Job gab. Die Verabredung war entstanden, als Wintilo und ich uns eines Abends nach dem Kino in einem Einkaufszentrum getroffen hatten. Auf dem Weg zum Parkplatz hatten wir uns unterhalten, und die Strecke hatte ihm gereicht, um festzustellen, dass es mir nicht gerade rosig ging – kein Wunder, denn mein Sparkurs erstreckte sich auch auf Anzüge, Hemden und Schuhe. Also sagte er, ich helfe dir, Kumpel, du wirst schon sehen, bald hat es mit den Existenzängsten ein Ende. Und weil er großzügig ist, schlug er mir zwei Optionen vor, erstens, dass er sich bei seinem Chef für mich einsetzen würde, oder zweitens, dass er mich mit seinem Cousin Margarito Izquierdo zusammenbringen würde, der gebrauchte Särge verkaufte. Er kaufte sie für zweihundert Pesos großen Bestattungsinstituten ab, deren Kunden sie für die Armen spendeten, tauschte die Innenbezüge aus und verkaufte sie für zweitausend Pesos an kleine Bestattungsunternehmen weiter.
    Ich fragte Wintilo, ob es dabei keine Ansteckungsgefahr gebe, aber er antwortete, es habe sich noch kein Toter beschwert.
    Wie dem auch sei, das Geschäft mit den Aufbewahrungskästen für tote Menschen reizte mich nicht. Aber ich willigte ein, dass er sich bei seinem Chef für mich einsetzte, maß dem jedoch keine große Bedeutung bei. Wer konnte schon einen Typen ernst nehmen, der sich in der Schule Spuckkämpfe geliefert hatte?
    Drei Tage später rief er mich an und zitierte mich zu dem
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