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Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke

Titel: Dahoam is ned dahoam - Bayerische Ein- und Durchblicke
Autoren: Helmut Schleich
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Auftakt in Bonn
    Kaum hat sie ihre Reiseflughöhe erreicht, geht die weiß-rot lackierte Boeing auch schon wieder in den Landeanflug über. Und das ist gut so, denn lange hält man diese post-embryonale Hockhaltung nicht aus, zu der einen die Bestuhlung in diesem eher auf Profitmaximierung denn auf Bequemlichkeit der Reisenden ausgelegten Billigbomber zwingt. Im Magen eine auf arktische Temperaturen heruntergekühlte Laugenstange, in die ein caternder Schlaumeier auf eine vermutlich mehrfach patentierte Weise eine steinhart gefrorene Butterfüllung hinein praktiziert hat, sinken wir in sanfter Abwärtskurve auf den Flughafen Köln-Bonn zu. Drei prall mit Arbeit gefüllte Tage liegen vor uns, an denen wir zusammen mit dem in Bonn ansässigen Regisseur Rainer Pause eine neue Folge unserer Sendung SchleichFernsehen entwickeln wollen.
    Einmal mehr geben wir uns den ewig gleichen Nach-Landungs-Ritualen hin – sitzen bleiben, bis die Alpha-Männchen aus der Gattung der Vielflieger mit dem Handy am Ohr die Maschine verlassen haben, sich von dem Verabschiedungskomitee an der Flugzeugtür noch einen schönen Tag wünschen lassen, die Koffer von einem stoisch dahinmäandernden grauen Band pflücken und dann den Flughafen verlassen, um uns an der gut hundert Meter langen Schlange Kölner Taxis entlang nach vorne bis zum ersten Wagen zu arbeiten.
    Was ist es, das einem hier und in anderen, nicht-bayerischen deutschen Städten sofort das Gefühl gibt, im Ausland zu sein?, fragen wir uns, während der Fahrer unser Gepäck in den Kofferraum des schon ein wenig betagten VW-Passat wuchtet. Der Konrad-Adenauer-Flughafen hier ist in seiner seelenlosen Hässlichkeit vom Münchner Franz-Josef-Strauß-Airport kaum wegzukennen, die Taxis sind ebenso langweilig cremefarben wie in München, und den türkischen Taxifahrer würde man auch bei uns daheim keinesfalls als fremd empfinden.
    Und trotzdem, als wir im Taxi sitzen und auf der Stadtautobahn mit 120 km/h auf Bonn zurasen, beschleicht uns ein Auslandsgefühl, das mindestens so stark ist, als wären wir nicht in Köln, sondern in Rom, Paris oder Madrid gelandet. Wenn nicht stärker.
    Der Taxifahrer heute ist weniger redselig als sein Kollege letztes Mal, der uns auf den 25 Kilometern hinüber nach Bonn praktisch ununterbrochen in breitem Kölsch mit krausen Kommentaren zur Stadt- und Weltpolitik zugetextet hatte.
    Wir überlegen uns, ob ein Film mit dem Titel »Das Schweigen der Taxifahrer« wohl ein Kassenschlager werden könnte, und nutzen ansonsten die willkommene Gelegenheit, hinten auf der Rückbank unseren Gedanken nachzuhängen. Ein gelbes Ortsschild fliegt vorbei mit der Aufschrift »Bundesstadt Bonn«. Interessante Wortschöpfung, finden wir, mit der man die frühere Bundeshauptstadt auch verbal ent-»haupt«-et hat, ganz gleich, ob das jetzt eine wehmütig-nostalgische Huldigung nach Berlin exilierter Beamter an ihre ehemalige Wirkungsstätte war oder der in eine plumpe Schmeichelei verpackte Herrschaftsanspruch neupreußischer Wichtigtuer. »Rheinland, geh sterben, die Hauptstadt sind jetzt wir!«
    Die Stadtautobahn ist inzwischen zu einer mehrspurigen Einfallstraße geworden, deren betongraue Öde sich in nichts von der ihrer Schwestern in Nürnberg, Augsburg oder Passau unterscheidet, aber hier, durch die Brille der Fremdheit betrachtet, fällt uns die erschütternde Einfallslosigkeit deutscher Verkehrsplaner der 60er-Jahre eher auf. Besonders wenn diese Asphalt gewordene Trostlosigkeit auch noch den Namen Franz-Josef-Strauß-Allee trägt. Klar, der Schwabinger Metzgersohn und selbst ernannte Weltpolitiker hatte hier in Bonn jahrzehntelang seine politische Heimat, und trotzdem würde es einen weniger erstaunen, wenn die Straße Patrice-Emery-Lumumba- oder Eyadema-Gnassingbe-Allee hieße – so exotisch fremd kommt uns der sonst so vertraute Name des bayerischen Potentaten in dieser anderen Welt vor. Und als die Franz-Josef-Strauß-Allee schließlich übergangslos zur Petra-Kelly-Allee wird, lässt das ihren Namenspatron in Gestalt von Helmut Schleich sofort lospoltern:
    »So eine bodenlose Unverschämtheit, aus mir nach einer Rechtskurve (!) eine linke Friedensaktivistin zu machen! Da hätten sich die mal ein Beispiel an München nehmen sollen, da mündet der Franz-Josef-Strauß-Ring, so wie es sich gehört, in die Von-der-Tann-Straße, und der war immerhin ein bayerischer General, nach dem ein Panzerkreuzer benannt wurde. Aber da ist mir jetzt ein kleiner Fehler
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