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Kinder des Mars

Kinder des Mars

Titel: Kinder des Mars
Autoren: Skylar Hamill
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Prolog

    Ginger lag allein in ihrem Ehebett und starrte mit weit geöffneten Augen an die Decke. Sie glaubte, ein Geräusch gehört zu haben. Schlich jemand durchs Haus? Vielleicht war es ihre Einbildung. Seit sie zu Bett gegangen war, hatte sie sich hin- und hergewälzt. Ihre Nerven lagen blank, sie war überreizt. Da sie ohnehin nicht schlafen konnte, schlug sie die dünne Decke zurück und stand auf.
    Die Hausschuhe, die ordentlich neben ihrer Seite des Bettes standen, beachtete sie nicht. Ginger trug sie nur im kältesten Winter. Sie brauchte selten Pantoffeln oder Socken, denn ihr war fast immer warm, als glühe ein Feuer in ihrem Inneren.
    George, ihr Mann, nannte sie einen laufenden Ofen und scherzte oft liebevoll, dass aus ihrem Kopf Flammen schlügen. Ginger verdankte ihrer dicken hellroten Haarpracht ihren Namen. Sie war mit einem Flaum leuchtend roter Haare zur Welt gekommen.
    Barfuß lief sie zur Tür. Den glatten Holzboden fand sie angenehm, auch wenn der Rest der Familie widersprochen hätte. Es war Anfang Dezember und für den morgigen Tag hatte der Wetterbericht Schnee angekündigt. Die Heizung schaltete nachts ab und die Temperatur im Haus war entsprechend gesunken, trotzdem verzichtete Ginger auf ihren Morgenmantel, der an einem Haken an der Wand hing. Sie trug ein ärmelloses weißes Nachthemd, das genügte.
    Ginger trat auf den Flur hinaus. Sie machte kein Licht an. Zu ihrer Linken lag ein großes Fenster, das vom Boden bis zur Decke reichte. Der hereinfallende Mondschein war hell genug. Ginger hätte sich in ihrem Haus blind zurechtgefunden. Seit fast zwanzig Jahren lebte sie hier. Sie hatte die Vorhänge ausgesucht, die zur Zierde an den Fenstern hingen, aber nie zugezogen wurden, um die Sonne oder den Mond auszusperren.
    Es hatte eine Zeit gegeben, in der nur zarte Spitze wie eine Bordüre die obere Kante der Fenster abschloss. Und Gardinen mit Tiermotiven, als ihr Sohn Jack und ihre Nichte Ella noch klein waren. Ginger konnte sich gar nicht mehr an alle Designs erinnern. Vor zwei Jahren hatte sie sich für schwere, beigefarbene Schals entschieden, die zu beiden Seiten eines jeden Fensters hingen und mit einem breiten schwarzen Band, zu einer Schleife gebunden, zusammengehalten wurden.
    Die einzigen Schleifen, die je gelöst wurden, waren die in Jacks Zimmer. Er zog die Vorhänge zu, weil er gern im Dunkeln und vor allem lange schlief.
    Ginger lebte im natürlichen Rhythmus von Tag und Nacht. So war sie auf der Farm ihrer Eltern herangewachsen. Sie lebte noch immer auf dem Land, nur einige hundert Meter von ihrem Elternhaus entfernt. Auch wenn sie keine Kühe mehr melken musste, stand sie mit dem ersten Hahnenschrei auf. Es war nicht ihr Hahn, sondern der ihrer Schwester Rose. Aber er schrie laut genug, um alles im Umkreis von drei Meilen aufzuwecken. Selbst Jack wachte davon auf, drehte sich danach aber einfach um und schlief weiter.
    Lautlos huschte Ginger über den Gang. Jacks Zimmer lag auf der anderen Seite, ein Stück rechts den Flur hinunter. Die Kinder waren fast volljährig, doch Ginger verspürte das dringende Bedürfnis sich zu vergewissern, dass sie friedlich in ihren Betten lagen. Sie wollte sicher gehen, dass es ihnen gut ging. Die Kinder waren das Wichtigste in ihrem Leben. Sie hatte die letzten achtzehn Jahre damit verbracht, für sie zu sorgen.
    Ginger drückte Jacks Tür einen Spalt auf. Im Dunkel seines Zimmers konnte sie nur Umrisse erkennen. Jack hatte seinen Kopf tief ins Kissen gedrückt, die dunklen Haare standen wirr zu allen Seiten ab, ein Arm hing seitlich aus dem Bett. Er schlief tief und fest. Einen Moment lauschte sie seinen gleichmäßigen Atemzügen, dann schloss sie die Tür wieder und ging zum Zimmer von Roses Tochter.
    Rose und ihr Mann Zachary Hayes hatten die Farm der Eltern übernommen. Die beiden Mädchen waren die einzigen Erben. Rose war die ältere und wollte die Farm, wogegen Ginger sich nie sonderlich dafür interessiert hatte. Sie wollte einen reichen Mann heiraten, der sich nicht bei der Arbeit die Hände schmutzig machte und dies auch nicht von ihr erwartete.
    George hatte sie in New York kennengelernt. Er hatte damals schon Anzüge getragen und war stets auf der Suche nach der richtigen Krawatte. Mit den Jahren hatte Ginger ihm eine beträchtliche Auswahl solcher geschenkt, so dass George nun jeden Morgen vor der Qual der Wahl stand. Sein Haar war an den Schläfen ergraut und um die Augen hatte er kleine Fältchen.
    Sonst sah er aus wie damals.
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