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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
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ausgelöst werden und mich zerhacken konnten.
    Infolgedessen wäre ich am liebsten abgereist, hatte jedoch die Pflicht zu bleiben. Die schuldete ich der Glockendame. Sie war mit mir aus Magic Beach gekommen, einer kleinen Stadt weiter nördlich an der Küste, wo ich auf verschiedene Weise fast umgebracht worden wäre.
    Die Pflicht braucht nicht zu rufen; es reicht, wenn sie flüstert. Und wenn man ihrem Ruf folgt, ist es nicht nötig, etwas zu bereuen, egal, was auch geschehen mag.
    Stormy Llewellyn, die ich geliebt und verloren habe, war der Meinung, diese zerrissene Welt sei ein Ausbildungslager zur Vorbereitung auf das große Abenteuer, das zwischen unserem ersten und unserem ewigen Leben kommt. Sie hat gesagt, wir könnten uns nur verirren, wenn wir taub gegenüber unserer Pflicht seien.
    Wir gehen alle verwundet durch eine Welt, die ein Kriegsgebiet ist. Alles, was wir lieben, wird uns weggenommen werden, alles, und als Letztes das Leben selbst.
    Dennoch finde ich überall, wohin ich auf diesem Schlachtfeld blicke, große Schönheit und die Möglichkeit, mich daran zu erfreuen.
    Zum Beispiel besaß der steinerne Turm in dem Eukalyptuswäldchen, in dem ich momentan wohnte, eine raue Schönheit. Das lag nicht zuletzt an dem Kontrast zwischen seinen wuchtigen Mauern und der Zartheit der silbergrünen Blätter, die von den Zweigen der Bäume ringsum hingen.
    Der Turm war nicht säulenförmig, sondern hatte einen quadratischen Grundriss. Jede Seite war etwa neun Meter breit, und der Bau war gut achtzehn Meter hoch, wenn man die Bronzekuppel einrechnete. Darüber erhob sich eine ungewöhnliche Verzierung, die aussah wie Krone und Ring einer alten Taschenuhr.
    Bezeichnet wurde der Turm als Gästehaus, aber er hatte bestimmt nicht immer diesem Zweck gedient. Die schmalen Flügelfenster, durch die man frische Luft hereinlassen konnte, gingen nach innen auf, weil sie nach außen mit senkrecht angebrachten Eisenstäben gesichert waren.
    Die dicke, eisenbeschlagene Holztür sah aus, als hätte sie einem Rammbock, wenn nicht gar Kanonenkugeln standhalten können. Dahinter trat man erst einmal in einen Vorraum mit nackten Steinwänden.
    Linkerhand führte hier eine Treppe zur oberen Wohnung. Dort war Annamaria, die Glockendame, untergebracht.
    Direkt gegenüber dem Eingang befand sich die Tür zur Erdgeschosswohnung, deren Benutzung mir Noah Wolflaw, der derzeitige Besitzer von Roseland, gestattet hatte.
    Meine Behausung bestand aus einem gemütlichen Wohnzimmer, einem kleineren Schlafzimmer, beides mit Mahagoni getäfelt, und einem hübsch gefliesten Bad, das aus den 1920er Jahren stammte. Die Einrichtung war im Craftsman-Stil gehalten: schwere gepolsterte Armsessel aus Holz, Bocktische mit Zapfenverbindung und sparsamem Dekor.
    Ich weiß nicht, ob die Buntglaslampen tatsächlich von Tiffany stammten, aber möglich gewesen wäre es. Vielleicht hatte man sie aus Europa mitgebracht, als sie noch keine fantastisch teuren Museumsstücke gewesen waren, und nun blieben sie einfach deshalb in diesem abgelegenen Bau, weil sie immer da gewesen waren. Ein Aspekt von Roseland war eine lässige Gleichgültigkeit dem Reichtum gegenüber, den es darstellte.
    Zu jeder Gästewohnung gehörte eine Kitchenette mit Kühlschrank, die mit den nötigsten Lebensmitteln ausgestattet war. Darin konnte ich mir entweder selbst eine einfache Mahlzeit kochen oder mir von Mr. Shilshom, dem Koch des Anwesens, jeden vernünftigen Wunsch erfüllen lassen. In diesem Fall brachte man das Bestellte auf einem Tablett vom Haupthaus herüber.
    Ich hatte keine große Lust, mehr als eine Stunde vor der Morgendämmerung schon zu frühstücken. Dann hätte ich mich wie ein Verurteilter gefühlt, der versuchte, an seinem letzten Tag möglichst viele Mahlzeiten zu verschlingen, bevor ihn die Giftspritze erledigte.
    Unser Gastgeber hatte mir warnend geraten, zwischen Abend- und Morgendämmerung im Haus zu bleiben. Er hatte behauptet, ein oder mehrere Pumas seien in letzter Zeit in andere Anwesen der Gegend eingedrungen und hätten dabei zwei Hunde, ein Pferd und mehrere zahme Pfaue gerissen. Womöglich seien die Biester dreist genug, über einen nachts durch die Gegend wandernden Gast von Roseland herzufallen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergab.
    Ich kannte mich mit Pumas genug aus, um zu wissen, dass sie ebenso bei Tageslicht wie im Dunkeln jagten. Offenbar hatte Noah Wolflaws Warnung deshalb den Zweck, mich davon abzuhalten, bei Nacht den Schrei des angeblichen
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