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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
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das behaupteten, hatten jedoch entweder keine Ahnung, oder sie logen.
    Mit dieser Vermutung wollte ich meinen Gastgeber und sein Personal nicht beleidigen. Schließlich habe ich von vielen Dingen keine Ahnung, weil ich gezwungen bin, mich auf einen überschaubaren Gesichtskreis zu beschränken. Eine ständig zunehmende Zahl von Leuten scheint nämlich entschlossen zu sein, mich umzubringen, weshalb ich mich darauf konzentrieren muss, am Leben zu bleiben.
    Aber selbst in der Wüste, wo ich geboren und aufgewachsen bin, gibt es Tümpel und Seen, die zwar künstlich, für Seetaucher jedoch durchaus geeignet sind. Daher kenne ich deren Schreie, die zwar melancholisch, aber nie derart trostlos sind. Sie sind merkwürdig hoffnungsvoll, während die hier verzweifelt klangen.
    Roseland, ein privates Anwesen, war eine Meile von der Küste Kaliforniens entfernt. Seetaucher aber bleiben Seetaucher, wo immer sie auch nisten; sie ändern ihre Stimme nicht, um sie der Landschaft anzupassen. Es sind Vögel, keine Politiker.
    Außerdem verhalten Seetaucher sich nicht wie Hähne, die mit Vorliebe zu einer bestimmten Zeit krähen. Besagte Schreie jedoch kamen zwischen Mitternacht und Morgendämmerung, während ich sie bei Sonnenlicht bisher noch nie gehört hatte. Je früher sie an einem neuen Tag erklangen, desto öfter wiederholten sie sich in den verbleibenden Stunden, in denen Dunkelheit herrschte. Jedenfalls kam es mir so vor.
    Ich schlug die Decke zurück, hockte mich auf die Bettkante und sagte: »Verschone mich, damit ich dienen kann.« Das ist ein Morgengebet. Hat meine Oma Sugars mir als kleinem Jungen beigebracht.
    Pearl Sugars war eine professionelle Pokerspielerin; sie trat häufig bei Privatspielen gegen Falschspieler an, die zweimal so groß waren wie sie und nicht mit einem charmanten Lächeln reagierten, wenn sie verloren. Die lächelten nicht mal, wenn sie gewannen. Meine Oma war ausgesprochen trinkfest, und sie konnte eine ganze Wagenladung Schweinefett in verschiedener Form verputzen. Wenn sie nüchtern war, fuhr Oma Sugars so schnell, dass die Polizeibehörden mehrerer Staaten im Südwesten einen eigenen Aktenordner für sie angelegt hatten. Dennoch lebte sie lange und starb im Schlaf.
    Ich hoffte, dass ihr Gebet bei mir genauso gut wirkte wie bei ihr, aber in letzter Zeit war ich dazu übergegangen, dieser ersten Bitte eine weitere folgen zu lassen. Heute lautete die: »Bitte lass nicht zu, dass jemand mich umbringt, indem er mir eine wütende Eidechse in den Schlund stopft.«
    So was von Gott zu erbitten, das kommt euch jetzt vielleicht ziemlich schnoddrig vor, aber ein ebenso wahnsinniger wie voluminöser Kerl hat einmal gedroht, mich zwangsweise mit einer exotischen, scharfzahnigen Echse zu füttern, die außer Rand und Band war, weil man ihr eine anständige Dosis Methamphetamin verpasst hatte. Das wäre ihm auch gelungen, wenn wir nicht auf einem Bauplatz gewesen wären und ich nicht eine Sprühdose mit Isolierschaum als Waffe gefunden hätte. Später hat der Kerl mir gedroht, wenn er wieder aus dem Gefängnis käme, würde er mich aufspüren, um die Sache mit einer anderen Eidechse zu Ende zu bringen.
    An anderen Tagen hatte ich Gott in letzter Zeit gebeten, mir den Tod durch eine Autopresse auf dem Schrottplatz zu ersparen, den Tod durch eine Nagelpistole und dadurch, an tote Männer gekettet in einem See versenkt zu werden. Das waren Dinge, die ich in der Vergangenheit eigentlich nicht hätte überleben sollen, und wenn ich erneut mit einer dieser Bedrohungen konfrontiert wurde, würde ich demselben Schicksal bestimmt nicht zum zweiten Mal entrinnen.
    Mein Name ist nicht Lucky Thomas. Er lautet Odd Thomas.
    Ganz ehrlich. Odd.
    Meine wunderschöne, aber wahnsinnige Mutter behauptet, auf der Geburtsurkunde hätte eigentlich Todd stehen sollen. Mein Vater, der nach Teenagern giert und Grundstücke auf dem Mond verhökert – allerdings in einem bequemen Büro hier auf der Erde – , sagt manchmal, sie hätten von Anfang an beabsichtigt, mich Odd zu nennen.
    Ich neige dazu, in dieser Angelegenheit meinem Vater zu glauben. Falls er nicht lügt, könnte dies das einzig Wahre sein, was er je zu mir gesagt hat.
    Nachdem ich mich abends vor dem Schlafengehen schon geduscht hatte, zog ich mich jetzt unverzüglich an, um bereit für alles zu sein, was kam.
    Mit jedem Tag fühlte Roseland sich mehr wie eine Falle an. Ich hatte den Eindruck, überall lauerten verborgene Damoklesschwerter, die durch einen Fehltritt
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