Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
vielleicht zur selben Zeit getötet worden war wie seine Herrin – verschwunden. Sie verblassten nicht von ihrer Peripherie zur Mitte hin, wie es andere ruhelose Seelen manchmal tun, sondern verschwanden in dem Augenblick, in dem das Licht sich veränderte.
    Genau als die rote Dämmerung in Gelb umschlug, erhob sich im Westen ein Wind, peitschte das Eukalyptuswäldchen hinter mir, rauschte durch die Kalifornischen Lebenseichen im Süden und wehte mir das Haar in die Augen.
    Ich blickte in einen Himmel, aus dem die Sonne noch nicht ganz verschwunden war, so als hätte ein himmlischer Zeitnehmer die kosmische Uhr einige Minuten zurückgestellt.
    Diese Unmöglichkeit wurde von einer anderen noch übertroffen. Über den gelben Himmel, der bis auf die Wolkenschiffe am Horizont völlig leer gewesen war, zogen sich nun Streifen, die aussahen wie Ströme aus Rauch oder Ruß. Grau und schwarz gestreift, bewegten sie sich mit gewaltiger Geschwindigkeit. Sie wurden breiter und schmaler, bildeten Schlangenlinien und liefen bisweilen zusammen, um sich aber gleich wieder zu trennen.
    Ich hatte keine Ahnung, woraus diese Ströme bestanden, doch der Anblick weckte eine düstere Ahnung in mir. Hoch über mir brausten Asche, Ruß und winzige Trümmer durch die Luft, Materie, aus der einst große Städte bestanden hatten. Explosionen von beispielloser Wucht hatten diese Metropolen zu Staub zerlegt und dann weit in den Himmel gespien, wo sie vom Jetstream erfasst und festgehalten worden waren, von den Starkwindbändern einer vom Krieg verwandelten Troposphäre.
    Visionen im Wachzustand habe ich noch seltener als prophetische Träume. Wenn eine mich ergreift, so bin ich mir bewusst, dass es sich um ein inneres Ereignis handelt, das sich nur in meinem Kopf abspielt. Dieses Schauspiel aus Wind, unheilvollem Licht und grausigen Mustern am Himmel war jedoch keine Vision. Es war so real wie ein Tritt ins Gemächt.
    Geballt wie eine Faust, hämmerte mein Herz, als über den Himmel ein Schwarm von Wesen zog, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ihre wahre Natur war nicht leicht zu entschlüsseln. Sie waren größer als Adler, sahen aber eher wie Fledermäuse aus. Zu Hunderten kamen sie von Nordwesten her und sanken dabei immer tiefer. Mein Herz schlug so heftig, als wollte meine Vernunft Reißaus nehmen und sich verflüchtigen, damit der Wahnsinn dieser Szene mich voll und ganz erfassen konnte.
    Angesichts dessen kann ich euch versichern, dass ich nicht wahnsinnig bin, nicht wie ein Serienmörder es ist und auch nicht wie jemand, der ein Metallsieb als Hut trägt, um sich davor zu schützen, dass die CIA sein Gehirn überwacht. Überhaupt trage ich nicht gern Hüte und andere Kopfbedeckungen, wenngleich ich nichts gegen sachgemäß verwendete Siebe habe.
    Getötet habe ich durchaus, und zwar mehr als einmal, aber immer zur Selbstverteidigung oder um Unschuldige zu beschützen. So etwas kann man nicht als Mord bezeichnen. Wenn ihr anderer Meinung seid, so habt ihr bisher ein behütetes Leben geführt, um das ich euch beneide.
    Ich war zwar nicht sicher, ob der nahende Schwarm mich vernichten wollte oder meine Existenz überhaupt nicht wahrnahm, aber da ich unbewaffnet und ihm zahlenmäßig deutlich unterlegen war, konnte ich mich im Ernstfall mit Sicherheit nicht verteidigen. Deshalb drehte ich mich um und rannte den langen Abhang hinab auf das Eukalyptuswäldchen zu. Darin stand das Gästehaus, in dem ich wohnte.
    Da diese Situation in jeder Hinsicht absurd war, ließ mich dies keine Sekunde lang zögern. Obwohl ich in zwei Monaten gerade mal den zweiundzwanzigsten Geburtstag feiern würde, war das Unmögliche schon lange zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden. Ich wusste, dass die wahre Natur der Welt merkwürdiger war als jedes bizarre Gewebe, das irgendein Hirn aus den Fäden seiner Fantasie hätte erschaffen können.
    Während ich, vor Furcht und Anstrengung schwitzend, ostwärts rannte, erhoben sich hinter und über mir erst die schrillen Schreie des Schwarms und dann das ledrige Flattern seiner Flügel. Als ich es wagte, mich umzublicken, sah ich die Wesen im böigen Wind schweben. Ihre Augen waren so gelb wie der schaurige Himmel. Sie steuerten auf mich zu, als hätte ein Meister, dem sie gehorchten, ihnen eine düstere Version des Wunders von den Brotlaiben und den Fischen versprochen, indem er mich zum üppigen Proviant für den riesigen Schwarm machte.
    Als die Luft plötzlich erneut schimmerte und das gelbe Licht in Rot
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher