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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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Messe und der Debatte dort entkommen war. Etwas hatte einfach seine Füße in Bewegung gesetzt, als Ana verschwunden war. Es hatte ihn zu Ana getrieben und nirgends anderswohin, das war alles. Es hatte? Jedenfalls hastete er nun diesen Weg entlang zum Fluß, wieder den alten Weg, den sie immer gegangen waren. Jetzt trug der Weg eine Spur, und er glaubte, die Wärme der Spur unter den Füßen zu spüren… Die Schleuse, gedankenlose Handgriffe, Anzug, Luft, Orter, das Einrasten von Helm und Ventilen, er erinnerte sich nicht. Aber dann war diese Welle der Erregung über ihn hergefallen, als er das Land wieder erblickte. Er hatte die schwarzen Filtergläser vergessen, aber dennoch konnte er sehen. Ein sonderbares Land freilich, in das er hineinstürmte, vorwärts auf der Spur. Der Schiefer war noch da, graufleckig, wie von Schimmel befallen. Sonderbare Blässe rundum. Schleier schwebten in der Luft, Fremdkörper, wie Seide aus Kaidun. Wenn er den Blick hob, verdichtete sich das Gewebe und störte die Perspektive. Dann sah unversehens alles wieder rosa aus, wenn auch durchsichtig.
      Plötzlich öffnete sich die Luft zu einer klaren Gasse, Espenlaubflimmern mitten in ihrem fernen Ende, Antennen, Reflektoren oder als was immer man das Glitzern jetzt deutete. Dann dieser dumme Einfall: In Nebelzeiten denkt man das eine, etwas ganz anderes, wenn der Blick ins Weite fährt. Wenn nun Orlow recht hatte und die Schwarzen den Nebel zurücknahmen, wenn…?
      Ein Pingpongball schoß unter den Stiefeln hervor, der erste an diesem Tag. Giron strauchelte. Gleich danach traf er auf Schwärme von Käfern. Endlich wieder schwarzes, vertrautes Gewimmel, Wolken und ineinander verwobene Teppiche, die er umging. Die Pingpongbälle, der Fluß. Er lief da hindurch. Jenseits überfiel ihn übermäßige Helle, als durchschritte er ein Tor. Unvermittelt Weite wie bis zur Unendlichkeit, die vergessene Pracht der Farben.
      Mit äußerster Vorsicht hob er die Augen auf, bog Kopf und Helm, betrachtete das unglaubliche Gewirr der Bänder und Gespinste, die so schwarz waren wie Spalten zur Finsternis. Sie zerschnitten das Grün des Himmels, der in Millionen Splitter zerbarst. Giron senkte den Blick. Unten ein unübersehbarer Filz aus Schwarz, gischtend wie ein erregter See. Mitten daraus aufschießend dieser Turm schwarzer, lebendiger Antennen, Anas Wald. Das also war es, was Ana gesehen hatte. Alle vorangegangenen Bilder schienen ihm nichtig angesichts dieses einen.
      Dann erst entdeckte er den Funken, den Sonnenreflex auf Glas, den winzigen Punkt vor diesem Getümmel: Ana.
      Er sprang einfach drauflos. Ein paar Meter hinter der Frau stemmte er die Füße in das Geröll.
      Ana hockte am Boden. Eine Sprungweite entfernt erblickte er ein Grüppchen von Boolies, zehn oder zwölf, wie immer ineinander verflochten, wallend, wie es ihre Art war. Sie hatten sich Ana zugewandt. Giron glaubte in der Tat, den oder jenen als einen »ihrer« Boolies wiederzuerkennen, als ob es möglich sei, diese Schwarzen wie Gesichter zu unterscheiden. Anas Arme taten es den Gliedern der Boolies nach, so gut sie es vermochten, und Giron sah sehr genau die Gleichheit der Lockung und inständigen Bitte auf beiden Seiten in diesem sonderbaren Tanz. Jedesmal, wenn sich Ana den Schwarzen entgegenneigte, wichen sie ein bißchen zurück, als sei ein Faden zwischen ihnen gespannt. Dann nahm Ana die Hände an ihren Leib zurück, so als sei ihr der Faden entglitten, irgend etwas in der Haltung der Frau riß Giron zu ihr hin, er schnellte auf sie zu, eine Sekunde später lagen sie sich in den Armen.
      Eine Weile gab es nur diese Hingabe füreinander, und als er sich hinabbeugte zu ihr, um ihr nahe zu sein, hörte er ihre heisere Stimme am Ohr: »Sie kommen nicht mehr zu mir.« Er hörte Unumkehrbares aus diesen Worten, Abschied, schmerzhaftes Loslösen, und spürte zugleich, wie die Frau jede Nische seines Leibes mit dem ihren zu füllen trachtete, fühlte ihr Beben und den warmen Strom von ihr zu ihm.
      Über Anas Schulter hinweg spähte er zu den Schwarzen. Eine wilde Erregung hatte das Grüppchen ergriffen. Der Sog zu ihnen hin, dem zusammenhaftenden Menschenpaar, und der andere Sog zu den Gefährten ihres schwarzen Volkes zerrten an den Leibern, daß die Glieder, mit denen sie einander umschlangen, zu zerreißen drohten. Aufblasen, Zusammenfallen, Fuchteln, all das Gebaren, das er kannte, wenn er sie hatte springen sehen, folgten in so wilden Vibrationen
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