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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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ALFRED LEMAN

    Schwarze Blumen
    auf Barnard
    3

    Wissenschaftlich-phantastischer Roman

    Verlag
Neues Leben
Berlin

    Zeichnungen von Rolf Xago Schröder

    ISBN 3-355-00137-6

    © Verlag Neues Leben, Berlin 1986
2. Auflage, 1989
Lizenz Nr. 303 (305/217/89)
LSV 7004
Schutzumschlag und Einband: Rolf Xago Schröder
Typografie: H.-Jürgen Malik
Schrift: 10p Bodoni
Gesamtherstellung: Karl-Marx-Werk Pößneck V 15/30
Bestell-Nr. 644 072 2
00830

    1.

    Auf dem Wasser schwamm das Bild der kupferroten Sonne. Mit seltsamer Trägheit zogen die Wellen über die Fläche des Flusses, der des Fließens müde schien, und der rote, blendende Klecks beulte sich hierhin und dahin aus, als schnitte dort jemand Grimassen. Aber um ein geringes höher, dicht über den fernen grünen Kulissen, stand die wirkliche Sonne, rot, streng, ein riesiges Oval.
      Salman Giron schaute mitten in das Gestirn. Die Sonne, dachte er, das spielt sich auf wie die Sonne. Barnards Stern. 9, m 5, Klasse M5V. Jetzt ist er also die Sonne. Nun bekamen sie alle, was sie sich gewünscht hatten: Quarz und Schiefer unter die Füße, Licht, Atmosphäre, Weitläufigkeit, in die sie den Blick schicken konnten, ohne daß er sogleich an Wände stieß. Und da stand Giron hier inmitten dieses Paradieses und spürte nichts als das Loch, das sich gewöhnlich hinter erfüllten Wünschen auftat. Er war müde. Er hatte fünf Wetterstationen installiert, und das war nur ein Teil dessen, was er getan hatte, seit sie hier waren. Nun war er müde. Seine Rechnung, wann er das letztemal geschlafen hatte, ertrank in Müdigkeit.
      Die Zeit nagt, dachte er. Sie nagt in uns. Jetzt schon? Er fuhr mit der Hand in die durchleuchtete Luft. Auf dem Handschuh sah er einige Pünktchen glitzern, eine Sekunde lang, bis sie erloschen. Flüsse sind von nun an stumm, stellte er fest, und dies ist Schnee. Giron war müde und wütend. Er fand es in Ordnung, daß er wütend war, weil er nichts Besseres vermochte, als die Scherben irgendwelcher Hoffnungen zu zählen. Dann richtete er den Blick wieder auf den kupferroten Fleck auf dem Wasser, der noch immer seine Fratzen schnitt, schlurfte mit lauernder Vorsicht über die Kiesel, so weit, daß die Wellen seine Stiefel benetzten, und stampfte mit plötzlicher Heftigkeit ein Bein in das Wasser. Das Wasser spritzte auf, viel höher als erwartet, die Tropfen verteilten sich zu nebelhafter Feinheit und blieben in der Luft hängen. Vom Fuß des Mannes stoben zerfaserte Wellenkämme davon, als sei das stupide Element unversehens beseelt und erschrocken. Das Gewirbel erreichte das Abbild der Sonne, das dort unweit schwamm, und zerfetzte dessen Rundung in hundert Splitter. Er beobachtete die Bemühungen des roten Reflexes, die im Wasser umherhüpfenden Teile wieder zu einem Ganzen zu vereinen. Es war abzusehen, daß dies vorerst nicht gelingen würde.
      Giron bemerkte den Aufruhr und war sehr zufrieden damit. Die Sonne, dachte er und fügte dem Gedanken Verachtung bei. Aber irgendwo stieß ihn das Unrecht an, das seinem Urteil innewohnte, daß sie so groß war, so kühl und rot und nicht gelb und heiß, wie er es wünschte. Mit dem Ellbogen rückte er die Druckflasche zurecht, die er zwischen den Schulterblättern trug. Es war wohl mehr Mißgunst im Spiel, hervorgekrochen aus seiner Verdrossenheit. Er nahm die Verachtung zurück, und in die Fältchen um seine Augen nistete sich der Anflug eines Lächelns ein.
      Er erinnerte sich der aufflammenden Gier nach Bewegungsfreiheit, die jedermann mit dem Umstand verkettet hatte, die Füße endlich auf gewachsenen Boden zu setzen. Die verkapselte Mannschaft war ihrer Sucht nach Organisation erlegen, der Enge, dem Schwund der Persönlichkeit, den zementierten Sympathien und Abneigungen, dem Überdruß an stereotyper Verrichtung. Er erinnerte sich dieses Erwachens aus der Starre, der jäh ausbrechenden Lebhaftigkeit, aber auch ahnungsvoller Besorgnis, als die Namen der Gruppe genannt wurden.
      »Salman!«
      »Ja«, antwortete er erschrocken.
      Lachen fiel an seine Ohren, vertrautes Lachen einer spröden, dunklen Stimme. Die Stimme klang aus der Nähe, aber wie verdämmt von Gesträuch oder wie hinter einer Mauer hervordringend; die dünne Luft trug nicht. Giron fühlte sich ertappt. »Ja, Ana«, sagte er und dachte zugleich: Mein Gott, sie ist eine Katze mit sieben Leben.
      Ana stand schon dicht hinter ihm, Schritte waren hier kaum zu hören, und er wandte sich ergeben und sehr vorsichtig um. Ana Reis
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