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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Autoren: Alfred Leman
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selbst hin: – ich komme in zwei tagen –, gab das Schlußzeichen und dann den Input für den nächsten frei.
      Während der Reise nach Tura machte er sich steif, mit geringerer Mühe, als er es erhofft hatte. Es gelang ihm ganz gut, Gelassenheit zu wahren, die Sache anzusehen wie eine, die man mit der linken Hand betreibt: Er war ein anderer geworden in diesen Jahren. Aber als er dem Mädchen dann gegenüberstand, der wirklichen Asja Babadi und nicht einer Erinnerung, erschütterte ihn dieses Ereignis bis ins Mark. Er konnte kaum reden, bewegte sich wie auf einem ins Trudeln geratenen Beiboot, es entging ihm Asjas großäugiger Blick, mit dem sie ihn ansah, die beiden dunklen Spiegel, in denen er hätte erkennen können, wie sehr er sich verändert hatte seither.
    Später fragte er: »Du hast noch deine Freunde?«
    Sie antwortete: »Ja. Viele.«
    »Einen richtigen?«
      »Nein. Viele.« Ihre Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, als sie das sagte. Er suchte den Funken darin, aber es war keiner da.
      Ehe er abreiste, schon am Zug, ohne Absicht und wie unter dem Zwang eines Programms, fielen sie einander in die Arme und küßten sich.
      »Wir werden uns nicht wiedersehen«, sagte er, als er wieder zu Atem gekommen war. »Es gibt da ein wunderbares Projekt, das Projekt Pfeilstern. Und ich…«
      Sie sagte: »Ich weiß.«
      In der Maschine nach Baikonur vermochte er wieder zu denken: Ich war vernünftig. Wir waren vernünftig. So ist das also. Ihm war wie einem Stein, dem es mißlingt, Tränen aus sich herauszupressen.

    32.

    Der Korridor schien verlassen, so leer wie das ganze Haus. Aber ein wenig Licht, das durch das Schleusenrollo sickerte, erzeugte einen Fleck goldroten Widerscheins. Judy saß auf einer Box des Containerstapels und wartete. Als Tschuk aus der Schleuse trat, sprang sie auf und sagte: »Endlich! Und Jan, ist der auch da?«
      Tschuk ging die paar Schritte auf die Lücke zwischen den Kästen zu, einen Moment lang waren die Gesichter der beiden einander nahe, Tschuk hob die Hände in die Höhe seiner Hüften, als trage er etwas Unsichtbares vor sich her, betrachtete ihre Innenflächen und hob die Rechte plötzlich höher hinauf bis zu Judys Gesicht, um mit der Außenfläche der Finger die Wange der Frau zu berühren, eine Gebärde behutsamer Zärtlichkeit.
      Judy blieb in ihrer Rede stecken. Sie sah etwas, was sie in Tschuks groben Zügen noch nie gesehen hatte: äußerstes Erstaunen. Der Mann schien ganz und gar durch sie hindurchzublicken, wie ein Schlafwandler auf etwas weit Entferntes sieht. Sie nahm gar nicht wahr, wie Tschuk von ihr abließ und ging.
      Dann kam Blicher aus der Schleuse, in der weißen Wolle breit wie ein Schrank. Judy stand noch immer so da, als hielte sie den Atem an. Die eben vergangene Szene lief noch einmal fast genauso ab. Judy folgte einem spontanen Gefühl und schmiegte sich an den Mann. Es mochte das Vertraute an dieser Berührung sein, das ihn weckte. »Meine Güte, meine Güte«, brachte er mühsam hervor und unter fortwährendem Zucken seiner Mundwinkel. Unversehens und mit besitzergreifender Heftigkeit drängte er Judy von der Schleuse weg in die Tiefe des Korridors.
      Eine Weile darauf schlüpfte eine weitere weißwollene Gestalt durch das Rollo, eine kleine, schmale diesmal, Ana. Danach lag der Ort wirklich verlassen da, und das Haus äußerte nur noch das Rauschen einer Maschine.
      Die Leute hatten sehr schnell davon abgelassen, auf die Scheiben der Luken zu schauen oder durch sie hindurch nach draußen, wie sie es gewohnt waren. Rahels entsetzte Schreie hafteten noch an diesem erblindeten Glas, wie auf der Lauer, jeden erneut anzuspringen, der seinen Blick dorthin richtete. Die rosa blitzenden Kuppeln, ihr Gehäuse, fielen unversehens auf das zurück, was sie ihrer Natur nach waren: empfindliche, in unendlichen Räumen verlorene Blasen, fast ein Nichts, seit der elektromagnetische Faden zur BEAGLE riß. Und die Fenster verloren ihre wundervolle Wirklichkeit und entlarvten sich selbst als Stücke der Oberfläche dieser Blase, sie waren nicht mehr als jedes andere Teilstück auch. So mochte es Rahel gesehen haben, als sie schrie. Das Bild scheuchte die Leute in sich selbst zurück.
      Indessen, man wußte, daß das nicht die ganze Wahrheit traf. Auf ebenso zuverlässigen wie inoffiziellen Wegen sprangen Nachrichten über die Kabinenwände hinweg. Und auf einmal wußten alle Bescheid: Tschuk und Blicher, hinausgeschickt, um Orlow
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