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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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gegen die polnische Demokratiebewegung ausgesprochen hatte, war im Land wohlbekannt.
    Ãœbrig geblieben ist von all den Reibereien zwischen den Auswahlmannschaften beider „sozialistischer Bruderstaaten“ nur die durchwachsene Statistik: In neun der 19 Länderspielen siegte Polen, sechs Mal gewann die DDR, die aber beim Torverhältnis mit 27:26 die Nase vorne hatte.

KAPITEL 10
    Von der Volksrepublik in die Bundesliga
    Den meisten Zuschauern des Bundesligaspiels zwischen den 1. FC Kaiserslautern und Bayern München am 1. Dezember 1984 sagte der Name Stefan Majewski wenig. Der bärtige Innenverteidiger wurde zur zweiten Halbzeit für Andreas Brehme eingewechselt. In Polen aber staunten die Leser der Sportpresse über die kleine Notiz, die vom Bundesliga-Debüt des ersten Polen berichtete. In den polnischen Fußballkreisen galt es als kleine Sensation, dass der Stammspieler der Nationalmannschaft die Freigabe für den Wechsel in den Westen bekommen hatte, denn die politischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen waren überaus angespannt.
    Unter dem Ende 1981 über das Land verhängten Kriegsrecht waren in die polnische Parteipropaganda die Parolen vom kriegslüsternen Westdeutschland zurückgekehrt. Wieder schrieben die Warschauer Zeitungen von den westdeutschen Revisionisten, die die Nachkriegsordnung nicht anerkennen wollten und damit den Weltfrieden gefährdeten. Die Entspannungspolitik zwischen Bonn und Warschau gehörte endgültig der Vergangenheit an.
    Doch jenseits der Propaganda sahen immer mehr Polen in den Westdeutschen keine potenziellen Feinde, sondern „die guten Deutschen“, die beispielsweise große Hilfssendungen nach Polen schickten. Die Bundesrepublik wurde Ziel Zehntausender von Polen, die bei Reisen im Westen vom Kriegsrecht überrascht worden waren – was die Führung in Warschau zutiefst erboste.
    Dass Stefan Majewski von Legia Warschau in den sonst so verteufelten kapitalistischen Westen gehen durfte, hatte er vor allem den Kräften im PZPN zu verdanken, die ihrem Verband dringend benötigte Devisen sichern wollten. Der PZPN hatte schon vor der WM 1982 den Spielern in Aussicht gestellt, sie für die Profiligen freizugeben, falls die Weiß-Roten in Spanien gut abschnitten. 1 Dies gelang mit dem dritten Platz in beeindruckender Weise; Majewski hatte selbst dabei Akzente gesetzt: Er hatte im „kleinen Finale“ gegen die Franzosen ein Tor geschossen. Unmittelbar nach der WM zeigten mehrere westeuropäische Vereine Interesse an ihm, darunter der 1. FC Köln. Doch die Führung in Warschau reagierte zunächst ablehnend.
    Ende 1983 wurde das Kriegsrecht offiziell aufgehoben. Für die Bevölkerung hatte dies wenig Auswirkungen, an den alltäglichen Repressionen änderte sich wenig; doch wollte General Jaruzelski offenbar ein Zeichen an den Westen setzen. Denn angesichts der miserablen Versorgungslage und der anhaltenden Unzufriedenheit in der Gesellschaft war Polen dringend auf Einfuhren und die Verlängerung der Kreditlinien angewiesen.
    Jedenfalls genehmigte das Sportministerium 1984 den Transfer Majewskis zum 1. FC Kaiserslautern, der inzwischen auf den Plan getreten war. Der 1,86 Meter große Abwehrspieler, der dort den Platz des nach Italien abgewanderten Hans-Peter Briegel einnehmen sollte, war somit der Bahnbrecher für die Polen in der Bundesliga. Sechs weitere folgten ihm in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre mit Genehmigung der Warschauer Behörden.
    Zwei Wochen nach seiner Ankunft in der Pfalz kam seine Frau mit den beiden fünf und vier Jahre alten Töchtern nach. Diese besuchten zunächst einen deutschen Kindergarten, dann eine deutsche Schule und kamen nach den Worten Majewskis mit dem Umzug offensichtlich schneller zurecht als die Eltern. Samstags wurden die beiden Mädchen zur polnischen Schule in Frankfurt gebracht.
    Majewski spielte drei Jahre für Kaiserslautern. In dieser Zeit wurde er weiter in die polnische Nationalmannschaft berufen. Manchmal fuhr er mit dem Auto nach Polen. Fast jedes Mal erlebte er dabei Schikanen durch DDR-Grenzer. Er wurde als Reisender mit polnischem Pass, aber Westwagen mit westdeutschem Kennzeichen stets aus der Schlange gewunken. Gelegentlich wollten die Grenzer das Reserverad sehen. Er musste dann den vollbeladenen Kofferraum ganz auspacken.
    1986 nahm Majewski an der Weltmeisterschaft 1986 in
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