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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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eingeschritten seien. Im ZK kam auch zur Sprache, dass die nach Warschau gereisten DDR-Bürger durchweg falsche Ziele bei dem Antrag für das Reisevisum angegeben hätten, darunter eine Hundeschau in Posen sowie die Gedenkstätte Auschwitz.
    Dem Protokoll der ZK-Sitzung zufolge bereitete es der SED-Spitze ganz offensichtlich Sorgen, dass in Warschau DDR-Bürger dazu beigetragen hätten, den polnischen Zuschauern ein „gesamtdeutsches Auftreten“ zu demonstrieren. In der Tat schenkte auch die polnische Führung der Verbrüderung von Fußballfans aus beiden Teilen Deutschlands große Aufmerksamkeit, wie der „Spiegel“ unter Berufung auf politische Kreise in Warschau berichtete. An der Weichsel seien sogar Befürchtungen aufgekommen, „die beiden deutschen Staaten könnten sich, von Moskau begünstigt, einander nähern, und Polen würde zwischen die Interessen der Sowjetunion und eines wiedervereinigten Deutschlands geraten.“ Die Armee-Zeitung „ołnierz Wolnoci“ malte das Schreckensbild eines kapitalistischen deutschen Staates, der bis an Oder und Neiße reiche. 9
    Deutsche Schlager und polnische Zigaretten
    Anfang 1971 führte die DDR den visafreien Reiseverkehr von und nach Polen sowie in die Tschechoslowakei ein. Angesichts der Erfahrungen mit dem Warschauer Länderspiel baute die Stasi in Absprache mit dem SB große Außenvertretungen in Warschau, Danzig, Breslau und Stettin auf.
    Unter strenger Beobachtung der Stasi standen auch die polnischen Fußballspieler, die in die DDR kamen. So führte Odra Oppeln, einer der führende Vereine Oberschlesiens, regelmäßig Trainingslager in einer Sportschule in der DDR durch. Zu den Teilnehmern gehörte Josef Klose, der Vater Miroslavs.
    Der polnische Nationalspieler Engelbert Jarek, der wie Klose aus einer deutschen Familie in Oberschlesien stammt, berichtete, DDR-Offizielle seien völlig verwundert gewesen, dass einige der Odra-Spieler Deutsch wie Deutsche redeten. Beim Bankett nach einem Spiel gegen eine DDR-Mannschaft hätten einige seiner Klubkameraden alte deutsche Schlager angestimmt. Doch die DDR-Spieler und -Trainer seien so verunsichert gewesen, dass sie nicht mitgesungen hätten. Nach offizieller Lesart gab es in der Volksrepublik Polen keine Deutschen, das Thema ehemalige deutsche Ostgebiete war in der DDR tabu.
    Laut Jarek handelten einige seiner Mitspieler in der DDR mit polnischen Zigaretten. Für den schwarzen Markt in Polen hätten sie Musikinstrumente gekauft, die eigentlich nicht ausgeführt werden durften. 10
    Polnische Fußballmannschaften, aber auch Offizielle des PZPN wurden bei der Ausreise aus der DDR besonders scharf kontrolliert, obwohl beide Staaten offiziell befreundet und verbündet waren. Die Kontrollen waren besonders am deutsch-deutschen Grenzübergang Helmstedt oft mit Schikanen verbunden. 11 Die Polen erfreuten sich unter allen Ostblock-Staaten Mitte der siebziger Jahre der größten Reisefreiheit, was ihnen von ihren Nachbarn geneidet wurde.
    Auch die polnischen Fußballclubs reisten damals immer häufiger ins westliche Ausland, was für die DDR-Vereine gänzlich undenkbar war. Die Polen sahen sich mit ihren WM-Stars Jan Tomaszewski, Grzegorz Lato und Andrzej Szarmach aufgrund ihrer internationalen Erfolge in der Rolle des klaren Favoriten, als sie im Olympiafinale von Montreal 1976 auf die DDR stießen. Doch sie hatten ihre Gegner sträflich unterschätzt, schon nach 14 Minuten hatte die DDR zwei Treffer erzielt, sie gewann schließlich 3:1. Es schmerzte viele Polen sehr, zwei Jahre nach der Wasserschlacht von Frankfurt ein weiteres prestigeträchtiges Spiel gegen den noch weniger geliebten zweiten deutschen Staat verloren zu haben.
    Virus der Konterrevolution
    Zunehmend trübten sich die politischen Beziehungen zwischen Warschau und Ost-Berlin ein, seitdem die DDR-Führung sich offen auf die preußischen Traditionen berief. Dazu gehörte der Stechschritt für die Nationale Volksarmee sowie die Wiedererrichtung eines Reiterstandbildes Friedrich des Großen Unter den Linden in Ost-Berlin. Der Preußenkönig war die treibende Kraft bei den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert gewesen. Die DDR-Bürger, die in den Augen der Polen besonders staatstreu und obrigkeitshörig waren, wurden nun im polnischen Volksmund „rote Preußen“ genannt. Umgekehrt machten sich Polen durch
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