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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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Einkaufsfahrten, bei denen sie vor allem größere Posten von Defizitwaren erstanden, in die DDR unbeliebt.
    Als im Sommer 1980 die Gewerkschaft „Solidarität“ mit einer Streikwelle die Wirtschaft Polens weitgehend lähmte, bemühte die von der Zensur kontrollierte DDR-Presse die alten preußischen Klischees von der „polnischen Wirtschaft“, vom faulen, liederlichen Polen, der seinen Staat nicht organisieren könne. In Polen habe sich der „Virus der Konterrevolution“ verbreitet, schrieb das Parteiorgan „Neues Deutschland“. DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker sah darin eine Bedrohung für seine Herrschaft. Also ließ er den Reiseverkehr nach Osten fast völlig unterbinden. Im Sommer 1981 gab es somit weder in Masuren, noch im Riesengebirge Touristen aus der DDR, die in den Jahren zuvor noch zu Zehntausenden gekommen waren.
    In diesem angespannten politischen Klima trafen die Nationalmannschaften Polens und der DDR erneut bei den Qualifikationsspielen zur WM 1982 in Spanien aufeinander. Allerdings konnte die DDR-Auswahl nicht in stärkster Besetzung antreten. Die Stasi hatte nämlich wenige Wochen zuvor drei wichtige Spieler verhaftet: Angeblich hatte Gerd Weber von Dynamo Dresden, der bereits 35-mal für die DDR aufgelaufen war, sich bei einer Südamerika-Tournee seines Clubs absetzen wollen. Ihm soll der 1. FC Köln über einen Mittelsmann einen Vertrag angeboten haben. Seine Clubkameraden Peter Kotte und Matthias Müller sollen davon gewusst haben. 12
    Weber wurde als Hauptverdächtiger zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten wegen „landesverräterischer Agententätigkeit und versuchter Republikflucht“ verurteilt. Müller und Kotte wurden zur Nationalen Volksarmee eingezogen und außerdem in Mannschaften unterer Spielklassen versetzt.
    Erst nach der Wende von 1989 wurde bekannt, dass Weber mehrere Jahre selbst als Informeller Mitarbeiter der Stasi Mannschaftskameraden bespitzelt hatte, unter anderem bei der Olympiade in Montreal. Doch 1979 geriet er in Verdacht, von der Flucht des Dynamo-Stürmers Lutz Eigendorf in die Bundesrepublik gewusst zu haben. Eigendorf, der mittlerweile für Eintracht Braunschweig stürmte, kam 1983 bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass es sich dabei um einen getarnten Mordanschlag der Stasi handelte. Weber verbüßte elf Monate seiner Haftstrafe in Bautzen. Da er lebenslang gesperrt war, arbeitete er anschließend in einer Autowerkstatt. Vier Monate vor dem Fall der Berliner Mauer gelang ihm mit seiner Familie über Ungarn die Flucht in die Bundesrepublik. Er ließ sich in Bayern nieder.
    Die Verhaftung der drei Dynamo-Spieler wirkte sich 1981 auch auf das Klima in der DDR-Auswahl vor den beiden Spielen gegen Polen aus. Das Hinspiel fand wieder in Chorzów statt, das Schlesische Stadion war mit 80.000 Zuschauern bis auf den letzten Platz besetzt. Allerdings waren nur ganz wenige Fans aus der DDR angereist, es handelte sich durchweg um Parteifunktionäre und Jungkommunisten. Das gewöhnliche Volk durfte wegen des „polnischen Virus“ nicht in das Nachbarland reisen.
    Kein weiß-roter Jubel im Fernsehen
    Die beiden Mannschaften kämpften verbissen und mit großer Härte gegeneinander. Auf polnischer Seite waren noch drei Stars der WM-Elf von 1974 dabei: Tomaszewski, Lato und Szarmach. Das einzige Tor erzielte der Gleiwitzer Mittelfeldspieler Andrzej Buncol per Kopfball; sechs Jahre später bekam er einen bundesdeutschen Pass und spielte in der Bundesliga.
    Das Rückspiel im Leipziger Zentralstadion musste die DDR hoch gewinnen, um sich für die WM zu qualifizieren. Unter den rund 80.000 Zuschauern, die von den Parteiorganisationen sorgfältig ausgewählt worden waren, verloren sich gerade einmal 3.000 polnische Fans. Es handelte sich überwiegend um Studenten und Montagearbeiter, die vorübergehend in der DDR lebten. Dagegen erreichten mehrere Zehntausend Fans aus Polen Leipzig erst gar nicht: Sie wurden an der „Friedensgrenze“ von DDR-Grenzern und Zöllnern so lange kontrolliert, dass sie keine Chance mehr hatten, rechtzeitig zu dem Spiel einzutreffen. 13
    Die DDR-Spieler waren übernervös, sie waren vor dem Anpfiff von DFV-Funktionären über die Bedeutung der Partie für die Verteidigung der Errungenschaften des Sozialismus belehrt worden. Besonders unsicher
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