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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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Rückweg vom Training mit einer Jugendmannschaft. Mit seinem Tod ausgerechnet am 50. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen wurde Deyna zu einer nationalen Märtyrerikone – auch er ein Opfer einer feindlichen Welt, von allen verlassen, so wie Polen, das im September 1939 von den Briten und Franzosen trotz eines Beistandspaktes im Stich gelassen worden sei.
    Górskis Klarstellung und Breitners Lob
    Zu diesem Zeitpunkt hatten die anderen Teilnehmer der Wasserschlacht von Frankfurt ihre Karrieren längst beendet. Lato und Tomaszewski hatten sich erfolglos als Trainer versucht. Der WM-Torschützenkönig von 1974 ging dann in die Politik, für das postkommunistische Linksbündnis ließ er sich in den Senat wählen, um anschließend an die Spitze des PZPN zu treten.
    Tomaszewski wurde zu einem der schärfsten Kritiker Latos. Er warf immer wieder dem PZPN vor, durchgängig korrupt zu sein. Gegen mehrere seiner ehemaligen Mitspieler hat er Beleidigungsprozesse verloren, darunter gegen Zbigniew Boniek, der Deynas Nachfolger als Mittelfeldregisseur geworden war. Er unterstützte den Kampf gegen die Korruption, wie ihn die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) forderte. Während der Präsidentschaftskampagne 2010 gehörte er dem Wahlkampfkomitee des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyski an.
    Von seiner Kritik nahm der scharfzüngige Tomaszewski allerdings stets seinen ehemaligen Trainer Górski aus, der in der ersten Hälfte der neunziger Jahre PZPN-Präsident war, aber nicht die Kraft hatte, sich gegen die postkommunistischen Seilschaften unter den Sportfunktionären durchzusetzen. Górski hatte nach seinem Rücktritt als Nationaltrainer schließlich doch die Erlaubnis erhalten, ins westliche Ausland zu gehen. Er wählte Griechenland, wo er zwei Meistertitel holte. Als er PZPN-Präsident war, trat er zunächst der Partei der Freunde des Polnischen Biers (PPPP) bei und kandierte schließlich, allerdings ohne Erfolg, auf der Liste der Protestpartei „Selbstverteidigung“ für den Senat.
    Nach langen Jahren des Schweigens zu dem Thema erklärte Górski in einer Fernsehsendung zum 25. Jahrestag der Frankfurter Wasserschlacht 1999 überraschend, die Deutschen hätten damals keineswegs manipuliert. Schließlich hätten die Weiß-Roten in Frankfurt ja die Seitenwahl gehabt.
    In derselben Sendung wurde auch geklärt, warum der Schiedsrichter doch das Spiel angepfiffen hatte: Es waren nicht die Deutschen, die auf ihn Druck ausgeübt haben, sondern die Offiziellen der FIFA. Diese hätten nämlich Konventionalstrafen an die angeschlossenen Fernsehsender zahlen müssen, falls das Fußballspiel nicht zustande gekommen wäre.
    Doch diese Klarstellungen hat die Mehrheit der Polen offenbar nicht wahrgenommen. Sie sehen die Wasserschlacht als eine Art Epilog zu all dem Unrecht an, das die Deutschen den Polen im Zweiten Weltkrieg und zuvor zugefügt haben, wie es auch in vielen Fernsehserien und Buchreihen dargestellt wurde: Die Deutschen können die tapfer kämpfenden Polen nur mit Ränke und Tücke besiegen. Die Wasserschlacht von Frankfurt ist somit einer der vielen Mythen in der polnischen Geschichtsschreibung geworden.
    Dass deutsche Akteure von damals ebenfalls auf die Nachteile für Polen wegen des morastigen Bodens verweisen, bestärkt sie nur in dieser Einschätzung. So sagte Franz Beckenbauer: „Bei regulären Verhältnissen hätten wir wohl keine Chance gehabt.“ Und Paul Breitner stellte gar fest: „Die Polen waren eigentlich die beste Mannschaft der WM ’74.“

KAPITEL 9
    Sozialistische Völkerfreundschaft
    Leipzig, 18. April 1979. Am Ende der Halbzeitpause im EM-Qualifikationsspiel gegen die DDR überfiel den polnischen Abwehrrecken Stefan Majewski ein plötzliches Unwohlsein: Druck auf den Magen, Schwindelgefühle. Auch anderen Akteuren der polnischen Elf erging es so, darunter Grzegorz Lato. „Wir fanden kaum den Weg von den Kabinen durch den Tunnel zum Spielfeld zurück“, erinnerte sich Majewski. Einige seiner Mitspieler hätten hinterher berichtet, sie hätten das Gefühl gehabt, betrunken über den Platz zu torkeln und jegliches Gefühl für die Geschwindigkeit des Balls verloren zu haben. 1
    Jedenfalls unterlagen die Polen der DDR mit 1:2, nachdem sie die ganze erste Halbzeit deutlich überlegen gewesen waren und zur
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