Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Autoren: Deon Meyer
Vom Netzwerk:
ihn abgesehen
     haben?«
    »Ja«, sagten sie wie aus einem Mund.
    Grethe ging zu einem schön gearbeiteten Oregon-Schrank, holte einen Stapel Fotos hervor und reichte mir eines. Es war hier
     auf der Farm aufgenommen worden, im sommerlich grünen Garten. Grethes Vater war ein älterer Herr knapp über sechzig mit glänzender
     Glatze und tiefen Furchen um den Mund. »Er heißt Jürgen«, sagte sie.
    Ich blickte sie an. »Deswegen wollt ihr keine Polizei.«
    »Kannst du dir vorstellen, was die Medien …« Lucien winkte ab, eine Geste der Verzweiflung.
    »Du hast sie gesehen«, sagte ich zu Lucien.
    »Ja. Sie waren zu dritt. Weiß. Groß.«
    Ich versuchte, einen Zusammenhang zu erkennen, vorauszudenken. Wo wollten sie ihn hinbringen? Das war die große Frage.
    Dann krächzte das Funkgerät. »Lucien, Lucien, bitte kommen!«
    »Dries Wiese«, stellte Lucien fest und griff nach dem Mikrofon. »Hier ist Lucien. Was gibt’s, Dries?«
    »Wir sind jetzt hinter Slingersfontein, auf der Straße nach |19| Carnavon. Gerade eben ist ein Hummer aus Richtung Rietpoort gekommen, in einem Affenzahn, aber als er uns gesehen hat, hat
     er gedreht und ist wieder in eure Richtung gerast.«
    Lucien sah mich an.
    »Hast du ein Funkgerät für mein
Bakkie
?«, fragte ich. Er nickte.
    »Und ein Gewehr«, fuhr ich fort. »Das größte, was du hast.«

2.
    Ich stand vor dem Pick-up in der eisigen Kälte, allein. Die Scheinwerfer erhellten die schmale, zweispurige Straße zwischen
     Kalkbult und Dawidskolk. Über mir spannte sich die Milchstraße in einem schimmernden Bogen, hier unten im Staub verliefen
     die typischen breiten Spuren des Hummers.
    Surrealistisch.
    Denn ich jagte die Entführer eines alten, ehemaligen Stasi-Offiziers in der dunklen Weite der Bo-Karoo, mit einem geliehenen
     .270-er Jagdgewehr und einer Glock-Pistole.
    Doch es war nicht die Unwirklichkeit der Situation, die mir Unbehagen bereitete, sondern dass ich hier inmitten der Ebene
     so weithin sichtbar stand wie ein Leuchtturm im Meer. Klar und deutlich hob sich meine Silhouette vor den Scheinwerfern ab.
     Sie konnten hundert Meter neben der Straße warten, das Fadenkreuz eines Zielfernrohrs über meinen Rücken wandern lassen …
    |20| Ich stieg wieder ein. Im Ranger war es warm, der V6 blubberte im Leerlauf. Ich griff nach dem Funkgerät. »Lucien, hier Lemmer,
     bitte kommen.«
    Der junge Schaffarmer meldete sich sofort. Mit angespannter Stimme antwortete er: »Hier Lucien, Lemmer, bitte kommen.« Vor
     knapp einer Stunde hatten sie seinen Schwiegervater nach allen Regeln der Kunst aus seinem Bett auf Bontfontein geholt, drei
     Männer mit Maschinenpistolen und einem schwarzen Hummer.
    »Sie sind hier entlanggefahren«, sagte ich.
    »Okay«, antwortete er. »Warte mal …«
    Ich vermutete, dass er auf der Karte nachsah und die verschiedenen Möglichkeiten erwog. Aber war ihm auch bewusst, was es
     bedeutete, dass sie hier durchgekommen waren? Sollte ich es ihm sagen? Wenn sie diese dunkle Seitenstraße benutzten, hatten
     sie GPS mit äußerst genauen Karten. Oder einen Führer, der die Gegend wie seine Westentasche kannte. Vielleicht auch ein Funkgerät,
     das auf unsere Frequenz eingestellt war und dazu jemanden, der Afrikaans verstand. Denn jeder ihrer bisherigen Schritte war
     präzise und professionell gewesen.
    »Lemmer, hörst du mich?«
    »Ich höre dich, Lucien, bitte kommen.«
    »Wir blockieren jetzt alle großen Abzweigungen. Sie können nirgendwo die Straße verlassen. Folge einfach der Spur …«
    Folge einfach der Spur.
Der hatte leicht reden. Lemmers Erstes Allgemeines Arbeitsgesetz lautete: Mach alles selbst. Mit einer zusätzlichen Klausel,
     die besagte: Arbeite ausschließlich mit Profis, wenn es alleine nicht geht. Gegen |21| beide Grundsätze verstieß ich gerade. Weil ich, der ich mein Leben lang ein runder Pflock im viereckigen Arsch der Welt gewesen
     war, zum ersten Mal akzeptiert werden, weil ich zum Loxton-Stamm gehören wollte.
    »Mach ich«, antwortete ich und fuhr los. Einen Trost hatte ich: Die Männer im Hummer waren vermutlich nicht gerade scharf
     auf eine bewaffnete Auseinandersetzung. Denn sie wollten Grethes Vater lebendig. Sonst hätten sie ihn im Bett erschossen.
    Ich fuhr durch ein offenes Viehgatter. Die Spur lag deutlich vor mir im Staub. Ich schaltete die Scheinwerfer aus und spähte
     hinaus in die Dunkelheit, auf der Suche nach Autoscheinwerfern, sah aber nichts. Ich schaltete das Abblendlicht wieder ein,
     hatte eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher