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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Autoren: Deon Meyer
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er, noch immer fassungslos und schockiert.
    »Ich hab’s schon gehört.«
    Lucien blickte mich schweigend an. Zunächst verstand ich seine Reaktion überhaupt nicht, bis ich seine erwartungsvolle Miene
     sah. Ich dachte an Joes Worte:
Sie warten auf dich
. Und an die von Martin Scholtz:
Gut, dass du da bist.
An Willie, der gesagt hatte: »
Wir brauchen dich.«
Das konnte nur eines bedeuten: Sie wollten, dass ich etwas unternahm. Sollte ich die Führung übernehmen? Ihnen Ratschläge
     erteilen? Oder hatten sie doch etwas über meine Vergangenheit herausgefunden – den Totschlag, die Gefängnisstrafe –, worüber
     nicht einmal Emma Bescheid wusste? Ich versuchte, in Luciens Gesicht zu lesen, sah aber nichts als Vertrauen. Vielleicht war
     es auch viel simpler. Eine bloße Assoziation mit privaten Sicherheitsdiensten.
    Lass es nicht zu sehr an dich heran. Das sagte mir mein Instinkt. Das war mein Motto. Ich schluckte.
    »Ihren Vater?«, fragte ich.
    »Ja, er ist seit letzter Woche bei uns. Zu Besuch aus Deutschland.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich … Wir haben schon geschlafen. Da habe ich ihn um Hilfe rufen hören. Sie müssen hier im Wohnzimmer |16| gewesen sein. Als ich reinkam … Die Haustür stand offen, ich bin rausgerannt, da haben sie auf mich geschossen …«
    »Automatische Waffen?«
    »Ja. Woher weißt du das?«
    »Die Patronenhülsen … Die Einschusslöcher …«
    »Ach so. Ja, stimmt. Also bin ich zurückgerannt, um mein Gewehr zu holen, da, aus dem Waffenschrank im Arbeitszimmer. Als
     ich wieder rauskam, habe ich sie nur noch mit Vollgas wegfahren sehen. Ich glaube, es war ein Hummer, schwarz oder dunkelblau
     …«
    »Ein Hummer?«
    »Ja, du weißt schon … kein Militärfahrzeug, ein ziviles. Dann bin ich zur Scheune gerannt, aber sie hatten beim Pick-up und
     dem Double Cab die Zündkabel rausgerissen. Und da habe ich alle angefunkt …«
    »Wann war das genau?«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher … Mit den Ersten habe ich so kurz vor zwei Kontakt aufgenommen. Sie sperren die Straßen ab
     …« Er zeigte auf die Karte. »Hier, Fraserburg, Sakrivierpoort, Modderpoort, Beaufort. Nur hier, bei Carnavon, da könnte es
     schiefgehen. Wenn die sich auskennen, gibt es viele Ausweichmöglichkeiten …«
    Ich sah auf meine Armbanduhr. Zwanzig nach zwei. Sie hatten einen Vorsprung von über einer halben Stunde. Aber noch immer
     war mir ein Rätsel, wieso jemand Grethes Vater entführen sollte. Ich stellte die Frage leise, um Grethe nicht aufzuregen.
    Lucien antwortete: »Keine Ahnung.«
    Ich sah jedoch, wie er seiner Frau einen Seitenblick zuwarf, nur eine kurze Augenbewegung. Ich wusste Bescheid. |17| Er log. Ein Hummer? Maschinenpistolen? Eine Entführung? Nicht gerade der typische Farmüberfall.
    »Lucien«, sagte ich ruhig. »Wo bleibt die Polizei?«
    »Ich …«
    »Ich muss es ihm sagen«, sagte Grethe von hinten auf Deutsch zu ihrem Mann.
    Lucien sah sie voller Mitgefühl an. Endlich fragte er: »Willst du das wirklich?«
    Grethe legte ihre Kinder sanft auf das Sofa und gesellte sich zu uns. Sie war eine attraktive Frau, aber die Nacht hatte ihren
     Tribut gefordert. Sie war verängstigt und müde, hatte rot verquollene Augen.
    »Also«, sagte sie, klammerte sich an der Lehne eines Esszimmerstuhls fest, sah mich an und holte tief Luft. »Mein Vater war
     bei der Stasi«, begann sie mit hörbarem deutschen Akzent. Dann seufzte sie, als erleichtere sie das Geständnis. »Ministerium
     für Staatssicherheit, der Geheimdienst der ehemaligen DDR.«
    »Ich weiß«, sagte ich.
    »Aber er ist ausgeschieden, schon vor 1990«, warf Lucien verteidigend ein.
    »Was hat er bei der Stasi gemacht?«, fragte ich.
    »Ich … ich glaube, er hat für die HVA gearbeitet«, antwortete Grethe, und auf meine verständnislose Miene hin fügte sie hinzu:
     »Die Hauptverwaltung Aufklärung, der internationale Geheimdienst der Stasi.«
    »Erzähl ihm von Rosenholz«, bat Lucien.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht genug darüber.«
    »Grethe!«, sagte er fast flehentlich.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. »Mein Vater … Die Rosenholz-Akten … |18| Es handelte sich um eine Liste von Namen ostdeutscher Agenten im Ausland. Nach dem Fall der Mauer ging diese Liste an die
     CIA. Alle dachten, es sei die einzige Kopie gewesen …«
    »Aber das war sie nicht«, riet ich.
    Sie schüttelte erneut den Kopf.
    »Glaubt ihr, dass die Entführung etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hat? Dass diese Leute es deswegen auf
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