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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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Eine komplizierte, fünfstündige Oper auf die Bühne zu bringen ist schon schwierig genug, wenn einem kein Ensemblemitglied vorsätzlich einen Stock zwischen die Beine wirft. Was die Dinge noch schwieriger machte, war, dass Peacock bei den Verantwortlichen in der Direktion keine Chance gegen Shorthouse hatte, denn Shorthouse war ein Publikumsmagnet, Peacock dagegen praktisch ein Niemand. Obwohl er also rein theoretisch das Sagen hatte …
    Adam seufzte, nahm sich ein neues Kaugummi und sah wieder zu Barfield hinüber, der mittlerweile dabei war, eine Tomate zu verspeisen. Barfield zog eine Grimasse und machte eine vielsagende Kopfbewegung zur Bühne hinüber. Adam zog eine Grimasse zurück. Es war ein zweckloser Gedankenaustausch. Auf der anderen Seite der Bühne schmachteten Shorthouse und Joan einander mit honigsüßem Gesang an, während sich das Orchester in a-Moll dahinschleppte und hin und wieder eine sachte Dissonanz einfließen ließ. Plötzlich fiel Adam auf, wie außergewöhnlich gut die Musiker spielten, und sein Ärger gegen Shorthouse wallte von neuem auf. Um sich zu beruhigen, nahm er ein drittes Kaugummi. Es war zu schade, dass das Zeug so schnell seinen Geschmack verlor und nur noch nach Gummi schmeckte.
    Wenige Augenblicke später gesellten sich Dennis Rutherston, der Spielleiter, und ein dunkelhaariger, kränklich aussehender junger Mann zu ihm, dessen einzige Aufgabe, wie Adam sich vage erinnern konnte, darin bestand, im ersten Akt beim Meistertreffen als ein Lehrbube aufzutreten, der (mit zwei Worten) die Abwesenheit von Niklaus Vogel entschuldigt.
    »Es ist doch wirklich ein Kreuz«, sagte Rutherston, »dass die Leute nicht herumlaufen dürfen, während sie singen. Eine überkommene Konvention, wenn Sie mich fragen.« Er war ein melancholischer, jungenhaft wirkender Mann, der noch nie ohne seinen abgewetzten Filzhut auf dem Kopf gesichtet worden war.
    »Dann singt man schief«, erklärte Adam ihm freundlich.
    »Und was dieser Shorthouse wieder für ein Ärgernis ist … Die Festwiesenszene wird in einem heillosen Durcheinander enden«, prophezeite Rutherston düster. »Diese verdammten Lehrbuben wollen partout nicht still stehen bleiben, wenn sie an ihrem Platz angekommen sind. Sie denken wohl, es belebe die Szene, wenn sie ständig von einem Bein aufs andere treten. Dabei sieht es aus wie ein drohender Massenanfall von Delirium tremens.«
    Hinter ihnen brach die Musik unvermittelt ab. »Nanu«, murmelte Rutherston. »Was ist denn jetzt los?«
    »Anscheinend können wir nicht fünf Minuten in Ruhe proben« – Peacocks Stimme zitterte – »ohne dass hinter den Kulissen mitgesungen oder geflüstert wird. Würden Sie bitte still sein?«
    »Er meint uns «, sagte Rutherston ziemlich überrascht. »Na ja, ich wollte sowieso gerade gehen.« Während die Musik wieder einsetzte, entfernte er sich, den jungen Mann im Schlepp.
    »Gott stehe uns allen bei«, sagte der mitfühlende Adam zu sich selbst. Der entnervte Unterton in Peacocks Stimme, der eine drohende Explosion ankündigte, hatte ihm gar nicht gefallen. Aus Erfahrung wusste er: Wenn jemand während der Proben die Kontrolle verlor, zog sich der Rest schmollend zurück, und dann konnte man nur noch einpacken und nach Hause gehen. Er hoffte inständig, Shorthouse würde für eine Weile den Mund halten.
    Magdalena trottete auf die Bühne und hielt ihre kurze Unterredung mit Eva ab. Adam fiel ein, dass er besser Richtung Bühne gehen und sich für seinen Auftritt bereithalten sollte. Seinen Kaugummi klebte er vorsorglich an eine Requisite. Zum Teufel mit Shorthouse, dachte er, als er an Beckmesser vorbeikam, der leise auf seiner Laute zupfte; zum Teufel mit ihm.
    Im nächsten Moment eilte Joan auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. »Held des Preises, und mein einz’ger Freund!«, sang sie, während sie ihn umarmte, und dann fügte sie flüsternd hinzu: »Dein Pfefferminzgeruch ist ja ekelhaft.«
    Zu Adams großem Erstaunen verlief der Rest des zweiten Aktes ohne weiteren Zwischenfall. Die Liebenden versuchten zu fliehen und wurden von Sachs gestört; Beckmesser trug seine lächerliche Serenade vor, bis David und eine Horde von Lehrbuben und Meistern über ihn herfielen (»Sieht aus wie ein Haufen von Schwuchteln«, kommentierte Rutherston missmutig, »die Ballett tanzen.«). Mit verschlafenen Augen trat der Nachtwächter auf, intonierte seinen Vers und stieß in sein Horn; und mit einem Echo auf das Sommernachtsmotiv und auf Beckmessers Serenade
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