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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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murmelte sie in jener Nacht in ihr heißes und teilnahmsloses Kissen, »Adam, mein hässlicher Liebling« – ein Kosename, den ihr das Objekt ihrer Zuneigung sehr übel genommen hätte, wäre er ihm zu Ohren gekommen. Es gab noch mehr Ausbrüche in dieser Richtung, aber von solchen Augenblicken der Ekstase ist in dem Moment, in dem sie beim Setzer in der Druckerei ankommen, für gewöhnlich nicht mehr viel übrig; deswegen wird der Leser sich mit dem Erwähnten begnügen oder sich die weiteren Einzelheiten selbst vorstellen müssen.
    Das Beiwort »hässlich« war in der Tat verleumderisch. Adam Langley war mit seinen fünfunddreißig Jahren, seinen freundlichen, regelmäßigen, unauffälligen Gesichtszügen und seinen nachdenklichen braunen Augen durchaus vorzeigbar; seine Höflichkeit diente vortrefflich dazu, seine angeborene Schüchternheit zu kaschieren. Sein größter Charakterfehler war eine gewisse Unentschlossenheit, die ihm manchmal den Anschein von Ziellosigkeit gab. Er war vertrauensselig, bescheiden und leicht zu erschrecken, und seine Sünden waren von der äußerst verzeihlichen Art; und auch wenn er sich dann und wann zu zarten und – um ehrlich zu sein – ziemlich ungeschickten amourösen Abenteuern hatte hinreißen lassen, so hatten Frauen in seinem friedvollen und erfolgreichen Leben bislang keine große Rolle gespielt. Vielleicht war dies der Grund, weshalb er von den Gefühlen, die Elizabeth für ihn hegte, so lange rein gar nichts bemerkte. Für ihn war sie in erster Linie einfach nur eine Schriftstellerin, die sich Zugang zu den Proben zum Rosenkavalier verschafft hatte, weil sie sich für ein Kapitel ihres neuen Romans mit dem Opernmilieu vertraut machen wollte.
    »Aber schön !«, zischelte Karl Wolzogen ihm während der Pause in einer der Klavierproben zu. »Wenn sie doch nur singen könnte – ach, mein Freund, was für ein Oktavian!« Und mehr aus Höflichkeit und nicht, weil Karls Begeisterung ihn angesteckt hätte – Karl war, um bei der Wahrheit zu bleiben, nicht besonders wählerisch –, warf Adam zum ersten Mal einen genaueren Blick auf Elizabeth. Wie er sehen konnte, war sie klein, äußerst schlank, hatte weiches, brünettes Haar, blaue Augen, eine kleine Stupsnase und Augenbrauen, die gebogen waren und deswegen ein wenig sardonisch wirkten. Ihre Stimme – gerade in diesem Moment unterhielt sie sich mit Joan Davis – war tief, lebhaft, ruhig und von einer nicht unattraktiven Heiserkeit. Ihren Lippenstift hatte sie mit außergewöhnlicher Kunstfertigkeit aufgetragen, was Adam überaus beeindruckte, hatte er doch den Eindruck, die meisten Frauen vollzögen dieses Ritual vor einem Zerrspiegel oder während eines epileptischen Anfalls. Ihre Kleidung war schlicht und teuer, wenn auch für Adams Geschmack einen Hauch zu maskulin. Und ihr Charakter? An dieser Stelle geriet Adam ins Stocken. Jedoch mochte er ihre beherrschte Munterkeit und ihr sicheres Auftreten – umso mehr, als dass keine Spur von Arroganz darin lag.
    Im Nachhinein schrieb er ihre Heirat für gewöhnlich den völlig unbeteiligten Herren Strauss und Hofmannsthal zu. Die zentralen Partien im Rosenkavalier sind für drei Soprane und einen Bass geschrieben. Den Tenor Adam hatte man mit der kleinen und uninteressanten Rolle des Valzacchi abgespeist, was ihn während der Proben die meiste Zeit untätig herumstehen ließ. Es war unvermeidlich, dass er und Elizabeth einander näher kommen würden – und so weit, so gut. Aber an dieser Stelle kam ein Hindernis ins Spiel, da es Adam nicht für einen Moment in den Sinn gekommen war, dass Elizabeth sich erhoffen könnte, ihre Bekanntschaft würde die freundschaftliche, unverbindliche Basis verlassen, auf der sie begonnen hatte. Und auf dieser Basis verblieb er hartnäckig, blind für Liebreiz und Zuneigung, taub für Andeutungen und Anspielungen. Sein paradiesisch unschuldiger Zustand der Geschlechtslosigkeit machte Elizabeth umso wütender, als dass er ganz offensichtlich ungekünstelt und unbewusst war. Eine Zeitlang war sie ratlos. Hätte sie sich offen erklärt, es hätte ihn, das spürte sie, eher misstrauisch gemacht als ermutigt – und darüber hinaus hätte die ihr eigene Reserviertheit ein Übriges dazu beigetragen, eine solche Erklärung unglaubwürdig und gekünstelt wirken zu lassen. Es ist bezeichnend für den halbwegs hypnotisierten Zustand, in dem sich ihr vernebeltes Hirn befand, dass ihr die nahe liegende Lösung erst nach einer ganzen Weile einfiel: Es
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