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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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Kapitel 1
    Es gibt nur wenige Geschöpfe, die noch einfältiger sind als der durchschnittliche Sänger. Es scheint, als ginge die zur Erzeugung schöner Klänge notwendige Feinabstimmung von Kehlkopf, Stimmbändern und Nebenhöhlen zwangsläufig – so ungerecht kann das Schicksal sein – mit der Dummheit eines Geflügelviehs vom Hühnerhof einher. Vielleicht ist dieses Phänomen jedoch weniger angeboren als vielmehr eine Folge von Umgang und Ausbildung. Denn die gleiche Empfindlichkeit und Reizbarkeit, die gleichen beängstigenden intellektuellen Aussetzer sind ebenso bei Schauspielern zu beobachten – und es ist eine seit langem bekannte Tatsache, dass von allen Sängern diejenigen am begriffsstutzigsten und unerträglichsten sind, die am Theater arbeiten. Man wäre in der Tat geneigt, für ihre Unzulänglichkeiten ausschließlich die gewohnheitsmäßige Zurschaustellung der eigenen Person verantwortlich zu machen – wären da nicht die Balletttänzerinnen, die (von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen) zumeist naiv und schüchtern sind. Offensichtlich gibt es für dieses Problem keine einfache und allgemein gültige Lösung. Über den Umstand an sich herrscht jedoch generelles Einverständnis.
    Zweifellos war sich Elizabeth Harding darüber im Klaren – zunächst vielleicht nur in theoretischer Hinsicht, die jedoch mit dem Fortgang der Proben zum Rosenkavalier zunehmend praktische Bestätigung erfuhr. Deswegen war sie überaus erleichtert herauszufinden, dass Adam Langley nicht nur erheblich kultivierter und intelligenter, sondern auch gebildeter und sympathischer war als die Mehrzahl der Operntenöre. Sie hatte vor, ihn zu heiraten, und so war die Beschaffenheit seines Geistes ganz offensichtlich ein nicht zu vernachlässigender Faktor.
    Natürlich war Elizabeth auf keinen Fall ein kaltherziger oder berechnender Mensch. Aber die meisten Frauen sind – trotz der romantischen Vorstellungen, die die gesamte Heiratsproblematik so undurchsichtig machen – realistisch genug, die Vorzüge und Fehler ihrer zukünftigen Ehemänner genauer zu untersuchen, bevor sie sich endgültig binden. Mehr noch, Elizabeth hatte sich aus eigener Kraft eine gesicherte und unabhängige Stellung im Leben erarbeitet, und sie hatte entschieden, dass diese nicht völlig gedankenlos und aus reinem Gefühl heraus geopfert werden dürfe, sei dieses Gefühl auch noch so stark. Deswegen überdachte sie ihre Lage mit der für sie typischen Gründlichkeit und mit charakteristischem Scharfsinn.
    Und die Lage war die, dass sie sich verständlicher- und ziemlich unerwarteterweise in einen Operntenor verliebt hatte. In nüchterneren Momenten kam ihr der Ausdruck »vernarrt« treffender vor als »verliebt«. Die Symptome ließen ihr keine Zweifel, was ihren Zustand anging. In der Tat glichen sie den Klischees und Plattitüden aus Trivialromanen so sehr, dass es geradezu beunruhigend war. Sie dachte an Adam, bevor sie abends einschlief; sie dachte immer noch an ihn, wenn sie morgens aufwachte; sie träumte sogar von ihm, was die äußerste Form der Erniedrigung war; und sie rannte mit einer Vorfreude, die für eine reservierte und gebildete junge Frau von sechsundzwanzig Jahren vollkommen unangemessen war, zum Opernhaus, um ihn zu treffen. Auf der einen Seite war es demütigend; auf der anderen Seite war es zweifellos die entzückendste und erhebendste Form der Demütigung, die sie jemals erfahren hatte – und das, obwohl sie in der Liebe ausreichend Erfahrungen gesammelt und noch mehr zu diesem Thema gelesen hatte.
    Sie konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wie es dazu gekommen war, aber es schien ganz plötzlich passiert zu sein, ohne Vorbereitung oder Warnung. An einem Tag war Adam Langley noch ein angenehmes, aber unauffälliges Mitglied des Opernensembles gewesen; am nächsten stand er wie ein strahlender Stern über allen erhaben, und der Rest der Welt, geisterhaft und unreal, umkreiste ihn satellitengleich. Angesichts dieses Phänomens verspürte Elizabeth etwas von der Ehrfurcht eines Klostermönches, dem ein Erzengel erscheint, und sie war erschrocken über die unvermittelte und neue Sicht auf vertraute Dinge, die so eine Erfahrung mit sich bringt. » Von uns Fallendes, Verschwindendes … « Sie hätte sich über diesen Umsturz ihrer Lebenspläne, um den sie niemanden gebeten hatte, sicherlich geärgert, wäre er nicht mit einem bis dahin unbekannten Gefühl von Ruhe und Frieden einhergegangen. »Adam, mein Liebling«,
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