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Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Schwanengesang – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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musste ganz offensichtlich ein Dritter gefunden werden, um zwischen ihnen zu vermitteln.
    Außerhalb des Opernhauses hatten sie keine gemeinsamen Bekannten, und innerhalb desselben kam für eine dermaßen heikle Mission nur eine Person in Frage. Eine Frau war angezeigt – mehr noch, eine Frau, die reif, weltgewandt, empfindsam und mit Adam befreundet war. Deswegen machte sich Elizabeth eines Abends nach den Proben auf, um Joan Davis (die die Rolle der Marschallin sang) in ihrer Wohnung in Maida Vale zu besuchen.
    Das Zimmer, in das ein ältliches, schwerfälliges Dienstmädchen sie geleitete, war unordentlich – so unordentlich, dass es einen erst kürzlich verübten Einbruch vermuten ließ. Bald jedoch stellte sich heraus, dass dies der normale Zustand von Miss Davis’ Habseligkeiten war. Das Dienstmädchen meldete Elizabeths Ankunft, schnalzte missbilligend, startete einen halbherzigen Angriff auf einen Berg von Gegenständen, die sich auf einer Anrichte häuften, und zog sich dann heftig aufstampfend und leise vor sich hin murmelnd zurück.
    »Arme Elsie.« Joan schüttelte den Kopf. »Sie wird sich nie an meine schlampige Art gewöhnen. Setzen Sie sich, meine Liebe, und nehmen Sie einen Drink.«
    »Sind Sie nicht zu beschäftigt?«
    »Wie Sie sehen« – Joan schwenkte eine Nadel, einen kümmerlichen Rest Seidenfaden und einen kleinen hölzernen Pilz – »bin ich beim Stopfen. Aber ich kann damit auch weitermachen, während Sie mit mir reden … Gin und etwas dazu?«
    Während sie dasaßen und ihre Zigaretten rauchten, plauderten sie über dieses und jenes. Dann rückte Elizabeth, der nicht ganz wohl in ihrer Haut war, mit dem Grund für ihren Besuch heraus.
    »Sie kennen doch Adam«, begann sie und war im selben Moment entsetzt darüber, etwas so Dummes gesagt zu haben. »Ich meine …«
    »Sie meinen«, warf Joan ein, »dass er es Ihnen ziemlich angetan hat.«
    Sie grinste verunsichernd. Sie war eine hochgewachsene, schlanke Frau von etwa fünfunddreißig Jahren mit Gesichtszügen, die, wenn auch zu unregelmäßig, um schön zu sein, bemerkenswert ausdrucksvoll waren. In ihrem Lächeln mischte sich Cleverness mit einer spöttischen, koboldhaften Aufgewecktheit.
    Elizabeth war aufrichtig bestürzt. »Ist es denn so offensichtlich?«
    »Natürlich – für jeden außer Adam. Ich habe schon einige Male darüber nachgedacht, auch ihn in dieses Geheimnis einzuweihen, aber für eine Außenstehende schickt es sich nicht, sich in solche Angelegenheiten einzumischen.«
    »Um ehrlich zu sein« – ein Hauch von Röte huschte unwillkürlich über Elizabeths Gesicht – »bin ich hergekommen, um Sie genau darum zu bitten.«
    »Meine Liebe, was für ein Spaß! Aber mit dem größten Vergnügen …« Joan hielt inne und überlegte. »Ja, ich verstehe, das ist wohl der einzige Weg. Adam hat, wenn ich diese Redensart benutzen darf, eine ›ziemlich lange Leitung‹. Aber er hat trotzdem ein gutes Herz. Meine Glückwünsche euch beiden. Ich werde ihn mir gleich morgen vorknöpfen.«
    Und das tat sie dann auch, indem sie Adam in einem passenden Moment des Müßiggangs ins grüne Zimmer schleppte. Was sie ihm zu berichten hatte, traf ihn vollkommen unvorbereitet. Er protestierte schwach und wenig überzeugend. Dann ließ Joan ihn allein, um über ihre Worte nachzudenken, und kehrte zu den Proben zurück.
    Sein anfängliches Erstaunen wich fast augenblicklich einer überwältigenden Dankbarkeit – und dies keinesfalls aus Gründen der Eitelkeit, sondern weil sich nun ein vages Gefühl des Unbefriedigtseins, unter dem er in letzter Zeit gelitten hatte, in Nichts auflöste. Auch ihm erschienen die Dinge plötzlich in einem neuen Licht, so als ob sich die Teile eines Puzzles endlich zusammenfügten – in ihrer korrekten Anordnung wirkten sie plötzlich so selbstverständlich, dass ihm ihre frühere Unordnung vollkommen absurd erschien. Glückseligkeit und Scham verlangten gleichlaut nach Anerkennung. Noch vor zehn Minuten war Elizabeth für ihn nicht mehr als eine nette Bekannte gewesen; nun hegte er nicht die geringsten Zweifel daran, dass er sie heiraten würde.
    Er wurde wieder auf die Bühne gerufen, wo er sich ausgesprochen begeistert an der Bloßstellung des Baron Ochs von Lerchenau beteiligte.
    Doch als er Elizabeth tatsächlich gegenüberstand, konnte er seine Schüchternheit nicht überwinden. In der folgenden Woche ging er sogar so weit, sie zu meiden – ein Umstand, der Elizabeth insgeheim in Verzweiflung stürzte.
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