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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn
Autoren: Klaus Wanninger
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gefunden hatte.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte die Frau.
    Braig bedankte sich, betrachtete die beiden Buchtitel, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
Wider das verkochte und verbügelte Leben
. Und:
Heimlich still und fleißig? Frauenarbeit in der Region Stuttgart seit dem 18. Jahrhundert
.
    Neundorf wehrte das Angebot ebenfalls ab. »Es geht um Ihren Mann«, sagte sie dann, »Karl Herzog.«
    »Meinen Mann?« Stefanie Herzog wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn, gespannt auf weitere Erklärungen.
    »Er ist ...« Die Kommissarin verstummte mitten im Satz.
    »Er hatte einen Unfall?«
    »So ähnlich, ja. Leider. Er ist tot.«
    »Karl ... tot?« Die Frau starrte sie aus großen Augen an. Braig sah, wie sich ihre Hände verkrampften, ein kurzer Schauer den ganzen Körper der Frau erfasste und sie für den Bruchteil einer Sekunde zusammensacken ließ. Sie klammerte sich an der Sofalehne fest, atmete heftig ein und aus, richtete sich dann mit einem Ruck wieder auf. »Was ist passiert?« Ihre Stimme hatte nur im Ansatz der Frage die gewohnte Sicherheit verloren, gewann dann überraschend schnell wieder den alten Ton zurück. Stefanie Herzog strich ihre Jacke zurecht, betrachtete die Kommissarin mit festem Blick. »Mit seinem Wagen?«
    Neundorf nickte mit dem Kopf. »Mit seinem Wagen, ja.«
    »Er ist wieder viel zu schnell gefahren?«
    »Nein«, korrigierte Neundorf die Vermutung ihrer Gesprächspartnerin, »daran lag es nicht.« Sie hielt die Frau fest im Blick, schilderte den Vorfall, so wie er sich ihren vorläufigen Erkenntnissen nach abgespielt haben musste.
    »Sie wollen also sagen, er wurde ermordet?«, insistierte Stefanie Herzog. »Zuerst erschossen und dann ...«
    »So wie es aussieht, ja.«
    »Aber warum dann diese seltsame ...«, sie suchte nach Worten, »diese Show im See? Das ist doch eine Art Show, oder sehe ich das falsch?«
    »Das kann man wohl schon so formulieren. Wir haben keine Ahnung. Offen gesagt, wir hofften, Sie könnten uns weiterhelfen.«
    »Ich?« Stefanie Herzog schaute die beiden Kommissare verwundert an. »Ich fürchte, Sie sind an der falschen Adresse. Sie wissen wohl nicht über unsere privaten Verhältnisse Bescheid.«
    Neundorf gab keine Antwort, wartete auf eine Erklärung.
    Ihr Gegenüber ließ nicht lange darauf warten. »Wir leben schon seit zwei Jahren getrennt. Karl wohnt, oder muss ich jetzt sagen
wohnte
? Na ja, gleichgültig wie immer man das in dieser Situation formuliert, er wohnt in Fellbach.«
    »In Fellbach?«, fragte Braig. Er zog den Ausweis des Ermordeten aus einem Umschlag, hielt ihn hoch. »Weshalb ist er dann unter dieser Adresse hier gemeldet?«
    »Aus reiner Faulheit. Typisch Karl. Er war einfach zu bequem, aufs Rathaus zu gehen. Wozu auch? Seine gesamte Korrespondenz läuft sowieso auf die neue Anschrift – wen interessiert da, was offiziell in seinen Papieren steht? Nein, wenn Sie sich darüber informieren wollen, mit wem Karl in letzter Zeit Umgang hatte, müssen Sie seine Mutter fragen.«
    »Sie lebt in seiner Nähe?«
    »Im selben Haus. Vor zwei Jahren zog er wieder zurück in sein Elternhaus. Eine separate Wohnung, aber im selben Gebäude. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm, jedenfalls keinen regelmäßigen. Wir hören äußerst selten voneinander; an den Geburtstagen ein kurzes Telefonat, an Weihnachten und so, aber das war es dann auch schon.«
    »Sie sind geschieden?«
    Stefanie Herzog schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht, nein. Aber ...« Sie verstummte, schlug sich mit der flachen Hand an den Kopf. »Mein Gott, gerade wollte ich sagen: Das ist nur noch eine Frage der Zeit. Aber das passt jetzt nicht mehr, wie?«
    »Wohl kaum«, sagte Braig, »das bleibt Ihnen jetzt erspart.«
    »Erspart? Es war nur diese kleine Notiz, die uns fehlte, der kurze Verwaltungsakt, der die Realität unserer längst erfolgten Trennung mit amtlichem Siegel versehen hätte. Aber spielt das wirklich eine Rolle? Ich lebe mein Leben, Karl das seine. Seit vielen Jahren. Vor etwas mehr als zwei Jahren waren wir endlich soweit, uns das gegenseitig zuzugestehen. Wir trennten uns endgültig. Vorher trafen wir uns eben ab und zu mal hier in der Wohnung. Aber es war schon lange kein
Miteinander
mehr, nur noch ein zufälliges
Nebeneinander
. Die Scheidung? Irgendwann hätten wir sie wohl auch formell vollzogen.«
    Ihre Worte klangen wie die Abhandlungen einer Professorin. Braig schien es, als doziere sie über den Sinn und Unsinn des modernen Scheidungsrechts, nicht als
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