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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass
Autoren: Klaus Wanninger
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vielmehr die anderen. Fußgänger und Radfahrer bei uns und in der Dritten Welt die Armen, diejenigen, die von rücksichtslosen Reichen angefahren und überfahren werden. Und wer spricht davon? Wo hören Sie von diesem Geschehen? Ein stiller, Tag für Tag unaufhörlich seine Opfer fordernder Krieg.« Er trank von seinem Tee, stellte die Tasse zurück. »Müssen wir uns wirklich wundern, dass die alles unternahmen, Frau Litsches Recherchen geheim zu halten? Einen Mercedes, BMW, VW, Opel, Ford oder welches Fabrikat auch immer zuerst mit den Zigtausenden von Menschen in Verbindung zu bringen, die von ihm getötet oder verkrüppelt wurden anstatt nur mit Spaß, Tempo und Bequemlichkeit, so wie uns das ständig eingetrichtert wurde, würde viele potentielle Kunden ins Nachdenken und die Geschäfte dieser Firmen durcheinander bringen. Was wäre die Konsequenz, wenn immer mehr verantwortungsvoll handelnde Leute auf Bahnen und Busse umsteigen? Die Konkurrenz gewänne neue Kunden, könnte neue Arbeitsplätze schaffen und die Profite der Autofirmen fielen in den Keller. Und das ist das Einzige, was die Herren Manager interessiert. Störungsfreie Geschäfte und ständig wachsende Gewinne. Wer sich diesen Zielen in den Weg stellt, wird zur Seite geräumt. Ob mit den vornehmen Methoden, die wir als tägliche Beeinflussung der Politiker durch die entsprechenden Lobbyisten in unserem angeblich demokratischen Staat kennen oder aus der Not geborenen Aktionen, wie wir sie gerade erleben mussten. Die Bosse befehlen, alle anderen müssen spuren. So funktioniert die neue globalisierte Welt.«
    Radikale Worte für einen Oberstaatsanwalt, überlegte Braig. Aber bewegte sich Hofmann wirklich so weit von der Realität entfernt?
     
    »Haben wir Chancen, an die Hintermänner heranzukommen? Die Auftraggeber der Mörder zu überführen? Wie wollen Sie das bewerkstelligen?«, fragte Hofmann. »Wo holen wir die Beweise?«
    Sie hatten die Wohnungen von Almader und Ottlich durchsuchen lassen, deren Telefonate der letzten Wochen überprüft, ihre Bankkonten gefilzt, Bekannte und Verwandte der beiden Verbrecher überprüft – bis jetzt ohne Ergebnis. Wer immer die Männer beauftragt, sie zu ihren kriminellen Taten angestiftet hatte, er war äußerst geschickt vorgegangen.
    »Zwei Nummernkonten in der Schweiz«, spekulierte der Oberstaatsanwalt, »dort liegen die Gelder abholbereit. So läuft es doch.«
    »Obwohl sie ihren Lohn nicht mehr abholen können. Aus dem Leichenhaus gibt es keine Verbindung in die Schweiz.«
    Auch die Überprüfung des Telekom-Mitarbeiters in Berlin, der die Leitungen der tageszeitung angezapft hatte, war erfolglos geblieben. Der Mann war nach tagelangen mehrstündigen Verhören durch Felsentretter und Berliner Kollegen bei seiner Aussage geblieben, seine Auftraggeber nicht gekannt, nur mittels Telefon und Fax angesprochen worden zu sein. Die Hintermänner zu finden, überhaupt nur an sie heranzukommen, glich dem Versuch, die Bosse eines Drogenkartells aufgreifen zu wollen, nur weil man einen der kleinsten Dealer erwischt hatte.
    »Was nützt es denn, wenn wir die Hintermänner bestrafen?« Hofmanns Stimme klang recht frustriert. »Der Wahn läuft doch weiter. Die gesamten Strukturen sind faul, unser Gemeinwesen steht auf hohlen Füßen.«
    Braig starrte sein Gegenüber überrascht an.
    »Erinnern Sie sich noch an unser Gespräch vor wenigen Tagen?«
    Braig sah zu seinem Gesprächspartner, verstand, worauf er hinauswollte. »Letzte Woche, nach den Morden an Breidle und Nuhr, als ich vom Tatort in Winnenden zurückkam.«
    Der Oberstaatsanwalt nickte, nahm seine Tasse, trank mit kleinen Schlucken. »Sie waren sehr erregt.«
    »Wegen der beiden Morde.«
    »Und der verschmierten S-Bahn. Sie schimpften«, Hofmann stellte die Tasse zurück, brach mitten im Satz ab, »Verzeihung, ich muss mich berichtigen: Wir beide schimpften gemeinsam.«
    »Die beiden Jungs: Scheißbullen.«
    »Genau. Wir echauffierten uns über die Verwahrlosung vieler Jugendlicher, ihre Rücksichtslosigkeit, die Zerstörungswut.«
    Braig schwieg, wartete auf die Erklärung, worauf sein Gesprächspartner hinauswollte.
    »Ich habe viel darüber nachgedacht«, sagte Hofmann, »seit ich den Inhalt dieser Diskette kenne.« Er griff sich die kleine Kanne, schenkte Braig und sich selbst ein. Der Duft des Earl Grey hing mit neuer Intensität im Raum.
    »Heute komme ich mir selbst ziemlich schäbig vor.« Hofmann setzte sich wieder, gab Milch dazu, trank in kleinen
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