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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier
Autoren: Klaus Wanninger
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Morgen die Treppe hochliefen, stand der Mann mit dem Auto vor Ihnen.«
    »Genau!«, bestätigte Bergel mit kräftiger Stimme, »ganz genau!«
    Braig betrachtete ihn nachdenklich, atmete tief durch. Die Antwort kam ihm zu schnell, zu laut, zu plakativ.
    Weswegen waren die beiden so früh unterwegs?
    »Aber dann raste der Kerl auch schon los«, mischte sich Reusch ins Gespräch, »über die Brücke.«
    »Dann müssen wir ja froh sein, dass Sie schon so früh unterwegs waren und uns sofort benachrichtigten.«
    Braig sah das eifrige Nicken der Männer, spürte, dass es nichts mehr brachte, sich jetzt noch länger mit ihnen zu beschäftigen. Sein Misstrauen ihnen gegenüber war nicht beseitigt, im Gegenteil; sie in Zusammenhang mit dem Tod der Frau zu bringen, schien ihm jedoch nicht angebracht. Wenn ein Gespräch mit ihnen überhaupt noch einen Sinn haben sollte, musste er sich und ihnen Zeit zum Nachdenken einräumen, eine Frist von mehreren Stunden oder gar Tagen, in denen sie gemeinsam überlegen konnten, ob es nicht doch irgendeinen Anhaltspunkt gab, der auf ein bestimmtes Automodell oder das Aussehen des Mannes hinwies – ein winziges, in Anbetracht seiner gegenwärtigen Ermittlungslage dennoch absolut wichtiges Indiz, das in seinen Auswirkungen nicht zu unterschätzen war. Außerdem musste er Erkundigungen über die beiden einziehen, schon um sich darüber sicher zu sein, wieweit er ihren Aussagen überhaupt vertrauen konnte. Er bedankte sich für das Gespräch, bat sie, ihn zu benachrichtigen, falls ihnen noch etwas einfiele, reichte ihnen seine Karte, verließ den Bus.
    Die Sache sah nicht gut aus, war er sich bewusst, als er zum Fundort der Leiche zurücklief, angesichts des anfangs so viel versprechenden Zufalls des Zusammentreffens der beiden angeblichen Sportler mit dem vermeintlichen Täter eine enttäuschende Ausbeute, was die Informationen über die Identität des Mannes anbetraf. Er musste sich auf das persönliche Umfeld der getöteten Frau konzentrieren; Verletzungen in einem solchen Ausmaß, wie sie sie hatte erleiden müssen, resultierten fast immer aus Konflikten persönlicher Beziehungen heraus, soviel war ihm aus seiner langjährigen beruflichen Erfahrung klar. Nur Menschen, die sich eine Zeit lang in einem besonders ausgeprägten Maß einander zugetan fühlten, waren dazu imstande, ins Extrem gegenteiliger Emotionen zu verfallen und diese dann – vom Verstand vollkommen isoliert – an die Oberfläche kommen zu lassen – mit all den schrecklichen Auswirkungen, die dieses Wüten hervorrufen konnte. War die tote Frau einer solchen Gewaltorgie ihres Ehemannes, Freundes oder eines ehemaligen Geliebten zum Opfer gefallen?
    Er hatte die Stühle und Tische der Gaststätte erreicht, sah die Menschenmenge vor sich, die ringsum an den Absperrungen wartete. Mehrere Männer standen vor Kälte mit den Füßen aufstampfend beieinander, in lautstarke Diskussionen vertieft, den Asphalt vor sich im Visier. Die Szene ödete ihn an. Braig blieb stehen, gab die erste der beiden Nummern, die auf Marianne Kindler lauteten, ins Handy ein. Er musste nicht lange warten, hatte unter kräftigem Rauschen und Knacken eine jugendlich klingende Frauenstimme am Ohr. »Hier ist Steffen Braig«, meldete er sich, »bin ich mit Marianne Kindler verbunden?«
    »Die bin ich, genau«, antwortete die Frau, »was wollen Sie von mir?«
    Er atmete erleichtert auf, blies die kalte Luft von sich, die sofort zu einer flüchtigen Nebelwolke kondensierte.
    »Was wollen Sie?«, wiederholte die Frau.
    »Ihnen einen schönen Tag wünschen«, stammelte Braig, »und weiterhin alles Gute.« Er wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte, hatte keine Lust, sich in langen Erklärungen zu ergehen, gab die zweite Nummer ein. Diesmal dauerte es länger, bis sich jemand meldete.
    »Ja, Kindler hier.« Die Stimme des Mannes drohte im Geschrei der neugierigen Gaffer unterzugehen. Nur mit Mühe konnte er ihn verstehen.
    »Kann ich bitte Marianne Kindler sprechen?«
    »Mei Weib? Die isch net do.«
    »Wissen Sie, wo ich sie erreichen kann?«
    »Des dät i selbscht gern wisse. Um was gohts?«
    Braig spürte, dass er nicht mehr lange um den heißen Brei herumreden konnte. »Mein Name ist Braig, ich bin vom Landeskriminalamt.«
    »Polizei?«
    »Genau. Wann haben Sie Ihre Frau zum letzten Mal gesehen?«
    »Wieso? Isch was passiert?«
    »Beantworten Sie bitte meine Frage.«
    »Wann i se zom letzte Mal …« Der Mann zögerte, überlegte. »Geschtern
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