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Schwaben-Gier

Schwaben-Gier

Titel: Schwaben-Gier
Autoren: Klaus Wanninger
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Mittag.«
    »Wo war das?«
    »Hier, bei os in Oettinge.«
    »Sie war also heute Nacht nicht zuhause?«
    »Noi. Ond i ka Ihne au net sage, wo se gwä isch. I denk, uf Werbeveranschtaltunge in verschiedene Gaschthäuser.«
    »Was für Werbeveranstaltungen?«
    »Hano, für osere Teigware. Mir hent a klois Fabrikle, wisset Se!«
    »Sie sind Inhaber einer Nudel-Fabrikation?«
    »Wenn Sie des so ausdrücke wellet, ja.«
    »Und Sie haben sich nicht gewundert, dass Ihre Frau wegblieb?«
    »Noi, des kommt bei os öfter vor. Seit sie den Aussedienscht übernomme hat ond mir osere Produktion gewaltig gschteigert hent, isch se dauernd unterwegs.«
    »Wo kann sie gewesen sein? In Heilbronn?«
    »Überall. In Stuttgart, Esslinge oder Reutlinge. In Heilbronn? I han koi Ahnung.«
    Braig wunderte sich mehr und mehr über eine Ehe, in der es dem einen Partner nicht seltsam vorkam, wenn der andere ohne Erklärung über Nacht wegblieb, wusste, dass er sich den Mann persönlich vornehmen musste. So schnell wie möglich. »Ich muss mit Ihnen reden, Herr Kindler. Wann können wir uns treffen? In einer Stunde bei Ihnen?« Er wollte das direkte Umfeld Kindlers kennenlernen, sich ein erstes Urteil über seine Person einholen. Bei den schrecklichen Verletzungen, die der Toten zugefügt worden waren, galt der Ehemann als Tatverdächtiger Nummer Eins, so absurd das im ersten Moment auch klingen mochte.
    »Wieso? Isch was mit meinem Weib?«
    »Ich weiß es nicht. Ich muss persönlich mit Ihnen darüber reden.«
    »Isch ihr was passiert?«
    »In einer Stunde bei Ihnen, ja? Geben Sie mir bitte noch die genaue Adresse.« Braig war nicht bereit zu erklären, was er befürchtete: Dass die Frau, von der sie sprachen, übel zugerichtet hier in Heilbronn auf der Straße lag. Er wollte die Reaktion des Mannes mit eigenen Augen sehen, seine Körpersprache studieren, wenn er ihm seine Vermutung schilderte, die Fotos vom Tatort zeigte. Vielleicht konnte er dem Verhalten Kindlers erste konkrete Verdachtsmomente entnehmen, vielleicht aber auch Argumente für dessen Unschuld finden. Er ließ den Mann deshalb leise schimpfen, eine Tirade schwäbischer Verwünschungen über sich ergehen, wartete, bis er sich beruhigt hatte und sich mit seinem Besuch einverstanden zeigte. »Also, in einer Stunde etwa. Bei Ihnen.« Er verabschiedete sich, lief auf die Treppe zu. Die neugierigen Gesichter mehrerer Männer verfolgten ihn auf Schritt und Tritt. Die uniformierten Kollegen hatten alle Hände voll zu tun, sie in Zaum zu halten. Braig grüßte, sah Harsch auf sich zukommen.
    »Nur damit Sie Bescheid wissen«, erklärte der Beamte und deutete auf das Gebäude, in dem die Gaststätte untergebracht war, »wir haben inzwischen alle Bewohner erreicht und befragt. Leider hat niemand etwas mitbekommen heute Morgen.«
    Braig betrachtete die Fenster über dem Lokal, bedankte sich für das Engagement der Kollegen. Er lief vollends zum Absatz oberhalb der Treppe, fand die beiden Spurensicherer, die immer noch mit der Untersuchung der Reifenabdrücke beschäftigt waren.
    »Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«, fragte er.
    Rössle, mit einer Kamera den Boden aus wenigen Zentimetern Entfernung Stück für Stück ablichtend, richtete sich schwerfällig auf. »I fürcht’, des bringt nix«, brummte er, »mir krieget koi Profil zamme.«
    »Wäre auch zu schön gewesen«, meinte Braig, »oder?«
    Rössle wies auf die Leiche. »Du woisch, wo sie wohnt?«
    »Oettingen. Dort wird eine Frau ihres Namens vermisst.«
    »Du willsch na?«
    Braig nickte. »Fotos. Ich benötige Fotos von ihr. Könnt ihr mir welche geben?«
    Rössle ging zu seinem Kombi, kramte im Inneren, kam mit einem Bündel Papiere zurück. »Die han i vorhin ausdruckt.« Er reichte sie seinem Kollegen, warf ihm einen kritischen Blick zu. »Sie isch verheiratet?«
    »Es sieht so aus.«
    »Der arme Kerl. Des kannsch dem doch net zeige!«
    Braig starrte auf die Bilder, verstand Rössles Befürchtung. Das von Wunden und Hämatomen übersäte Gesicht zu betrachten, bereitete selbst ihm, dem an Gewaltfolgen aller Art seit Jahren gewöhnten Beamten, Schwierigkeiten – welche Empfindungen musste sein Anblick erst bei einem Menschen auslösen, der mit der unter solch schlimmen Umständen zu Tode gekommenen Frau zusammengelebt hatte? Er spürte schon jetzt das flaue Gefühl in seinem Magen, wusste, dass ihm eine der unangenehmsten Aufgaben seines Berufes bevorstand. »Ich weiß noch nicht, ob ich es wirklich benötige«, antwortete er,
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