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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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sitzt. Es geht erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass es eine ganze Weile her sein muss, dass sich sein Kopf zuletzt oberhalb des restlichen Körpers befand.
    Der Uniformierte steht mit verschränkten Armen in sicherer Entfernung. Er wird Colin offensichtlich nicht auffangen, wenn der fällt. Der andere Kerl steht neben der Stahltür. Von Albert ist nichts zu sehen, vermutlich ist er in die Kantine gegangen.
    Colin setzt die nackten Füße auf die Bodenfliesen. Er hält sich an seiner Liege fest, wagt den ersten Schritt, ohne einen Fuß vom Boden zu heben. Schlurfend, an die Liege gelehnt, geht Colin den ersten Meter aufrecht, seit er wieder denken kann. Den Rest bis zum Tisch schafft er leicht, hier wird es auch deutlich wärmer – die Kaltluft fällt nur über der Liege aus der Decke. Zwar muss sich Colin an der Wand abstützen, aber schließlich lässt er sich wie ein nasser Sack auf den Plastikstuhl fallen, der vor dem Esstisch steht.
    Neben dem Napf liegt ein Einmallöffel aus durchsichtigem Kunststoff. Wie im Flugzeug. Mit zitternden Händen knibbelt Colin die Folie vom Napf und findet einen braunen Eintopf vor. Vielleicht Erbsensuppe? Egal. Er fängt an zu essen, und er hört erst wieder auf, als der Napf leer ist.
    Langsam fühlt er sich besser. Er überlegt sogar, ob er etwas Small Talk mit den Uniformierten treiben soll, die ihn keine Sekunde aus den Augen lassen.
    Er entscheidet sich dagegen und beschließt, die Zeit bis zu Alberts Rückkehr darüber nachzudenken, wo er sich befindet, wie er hierher gekommen ist und wie er hier wieder rauskommt. Wobei die letzte Frage höchste Dringlichkeit besitzt. Die ersten wendet Colin nur zum Warmwerden hin und her.
    Jemand klopft von außen an die Stahltür. Der Uniformierte, der daneben steht, macht auf, und Albert tritt ein.
    »Sie hätten sich gerne noch etwas Zeit lassen können«, sagt Colin und dreht sich auf seinem Stuhl halb um. »Hat’s geschmeckt?«
    Albert ignoriert die Frage. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Bestens«, gibt Colin zurück und stellt fest, dass er seinen Peiniger anlächelt. Er will damit aufhören, aber es geht nicht.
    Albert sieht den großen Uniformierten an, der nickt wortlos.
    »Das entspricht den Erwartungen«, sagt Albert.
    »Ein Heißgetränk wäre jetzt nicht schlecht«, grinst Colin und schlägt die Beine übereinander.
    »Wir beginnen jetzt den nächsten Prozessschritt.«
    »Klar«, sagt Colin. Verlegen kichert er. »Plaudern wir also noch ein wenig.«
    Albert nimmt ein Pad vom Sideboard und bearbeitet es bedächtig mit dem Zeigefinger. »Wir gehen nun zu Frage …«
    »Kann ich hier sitzen bleiben?«, wundert sich Colin.
    »Solange Sie kooperieren.«
    »Natürlich!« Colin grinst. »Kooperieren macht Spaß! Ich weiß gar nicht, warum ich nicht einfach alles erzähle, was ich weiß.« Er legt den Ellenbogen auf die Stuhllehne. »Reden befreit«, plappert er, »und Freiheit ist wichtig, wissen Sie? Nachdem die GmbH Baden-Württemberg übernommen hatte, verschwanden ein paar kleinere Freiheiten. Man konnte sich zum Beispiel nicht mitten in Stuttgart auf die Königstraße stellen und verkünden, die Mafia sei ein Haufen Verbrecher und die Züge gehören über die Erde. Zuerst dachte ja jeder: Okay, wieso sollte man so was auch tun? Aber nach ein paar Monaten konnte jeder mindestens einen Kollegen nennen, der irgendwie verschwunden war. War also die Wahrheit, das mit der Mafia und den Verbrechern, aber man durfte es nicht sagen, also durfte man nicht die Wahrheit sagen, und das ist das Gegenteil von Freiheit.«
    Colin kichert. Er kommt sich verdammt schlau vor, denn er weiß jetzt genau, dass er kein Gefangener der GmbH ist, die hätten ihn nämlich nach diesem Spruch einfach umgelegt.
    »Cool ist aber«, fährt er fort, »dass es neue Freiheiten gibt. Die Familie kommt zuerst, und alles lässt sich irgendwie regeln. Ein alter Schulkamerad hat mir mal erzählt, dass er seine Schwester geschwängert hat. Aus Versehen quasi. Überhaupt kein Problem für die Familie! Gut, er musste versprechen, das Mädchen zu heiraten, sobald sie 18 ist, aber das dauert noch eine Weile, und wer weiß, was bis dahin noch passiert? Ich langweile Sie doch nicht?«
    Albert seufzt. »Es freut mich, dass Sie so freimütig alles erzählen, aber es gibt Themen, die mich mehr interessieren als Inzest. Dem Papst würde das auch nicht gefallen.«
    »Der Papst!«, ruft Colin. »Er soll sich ja ziemlich drüber geärgert haben, dass er Bayern nicht gekriegt hat. Er
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