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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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Würde.« Das ist der Dritte im Hintergrund. Er tritt vor: braun-grau karierter Dreiteiler, Krawatte mit gelben Blümchen, schwarzer Vollbart, hohe Stirn. »Herr Weinland, können Sie aufstehen?«
    Zweieinhalb reagiert nicht. Colin überlegt, wer sonst gemeint sein könnte. Er kommt nicht drauf und starrt hilflos den Karierten an.
    »Herr Weinland, können Sie mich verstehen? Herrgott, hat ihm schon jemand die Trommelfelle perforiert?«
    Der fluchende Schatten von vorhin trägt auf den zweiten Blick eine Art Uniform, schlicht, elegant, mit einem Badge um den Hals. »Er wurde bisher nicht befragt.«
    »Das kann ich bestätigen«, schaltet sich der bisher schweigsame Mann ins Gespräch ein. »Aus der Datei geht der Timestamp der Anlieferung hervor, und es gibt keinen weiteren Entry.«
    Colin gafft den Mann an. Er trägt dieselbe schwarze Uniform wie sein Kollege: Turnschuhe, Stoffhose, Hemdjacke, Badge, ausdrucksloses Gesicht.
    Zweieinhalb greift immer noch nicht ins Gespräch ein. Aber für Colin ist es an der Zeit, ein wenig zu plaudern. Er schluckt trocken, bringt mit Totengräberstimme hervor: »Ich … wollte gerade was trinken.«
    »Sehen Sie, es geht ihm gut«, sagt der eine Uniformierte.
    »Natürlich. Ich habe ja auch noch nicht angefangen.« Der Vollbart beugt sich ein wenig vor. »Herr Weinland, mein Name ist Albert Ralfs. Ich bin heute Ihr persönlicher Befragungsreferent. Bitte stehen Sie auf und begleiten Sie mich.«
    »Kann … nicht aufstehen«, röchelt Colin, »wollte gerade was trinken.«
    »Sie bekommen später zu trinken«, beruhigt ihn Ralfs. »Wenn Sie kooperieren.«
    Colin sammelt seine Kräfte, dann versucht er aufzustehen. Es funktioniert nicht.
    »Meine Herren«, sagt Ralfs, »ich stelle hiermit fest, dass der Informationsträger sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen kann. Bitte machen Sie eine Notiz und folgen Sie dann der entsprechenden Prozedur.«
    Der linke Uniformierte brummt unwillig und hält plötzlich – oder schon die ganze Zeit? – ein Pad in der Hand und tippt darauf herum. Der andere zieht sich unterdessen Einweghandschuhe an.
    Ralfs geht einen Schritt zur Seite.
    »Ich weise Sie hiermit darauf hin, Herr Weinland, dass der Transport in den Konferenzraum auf Ihre eigene Gefahr erfolgt.«
    »Fremdtransport«, nuschelt der Uniformierte mit dem Pad.
    »Wie war das bitte?«
    »Laut Prozessspezifikation handelt es sich um einen Fremdtransport, Herr Ralfs. Das ist der korrekte Begriff.«
    Einen Moment lang sagt niemand etwas, als würde jeder gespannt beobachten, wie der Uniformierte sein Pad in die Westentasche schiebt und ebenfalls Einmalhandschuhe überstreift.
    »Vielen Dank für die Aufklärung«, schnappt Ralfs. »Dann beginnen Sie bitte jetzt mit dem … Fremdtransport.«
    Die beiden Uniformierten beugen sich zu Colin hinunter, jeder greift sich ein Handgelenk. Während Colin rücklings aus seiner Zelle geschleift wird, ziehen schwarze und grüne Muster an ihm vorbei, die jetzt beinahe einen Sinn ergeben.
    »Augenblick!«, meldet sich plötzlich Ralfs. »Er verliert ja seine Unterhose, wenn Sie das so machen.«
    Die Uniformierten verharren einen Moment. Colin kann ihre Gesichter aus seiner Perspektive nicht erkennen, er sieht nur den Wasserhahn in der Wand, dem er schon deutlich näher war.
    »Soll’n wir ihn an die Füße ziehen oder was, hä?«, fragt der Mann an seinem linken Handgelenk. »So ne shit Spam!«
    »Dann würde er vermutlich seine Unterhose nicht verlieren.«
    »Boah, echt witzig Mann! Keine Ahnung von den Prozessen, was? Mann, Mann! Wir arbeiten hier nach Kriterien , klar? Is mir doch scheißegal, ob der Hobbit hier seinen Schlüpfer verliert, ich mach meinen Job nach Vorschrift, ich will ihn nämlich behalten, klar? Mein Vertrag is befristet und wird nich verlängert, wenn ich schlampe.«
    »Herrgott, meine Herren, bewahren Sie doch Würde! Ich kann ja an meinem zweiten Tag hier noch nicht alle Vorschriften kennen, oder?«
    Colin fragt sich, was Herr Ralfs an seinem ersten Tag schon alles erlebt hat. Sein eigener erster Arbeitstag damals … nein, er wird sich später in Ruhe erinnern. Jetzt wird er erst mal weiter durch die Gänge geschleift und muss die Pobacken zusammenkneifen, um die Unterhose nicht zu verlieren.
    Er ist sehr zufrieden mit sich selbst, denn erneut gelingt es ihm, sich ein übersichtliches Ziel zu setzen statt utopischer Wunschvorstellungen wie Weltherrschaft oder goldener Schallplatten.
    Unterwegs riecht es nach Krankenhaus und
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