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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition)
Autoren: Uwe Post
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Spaghetti auf seinem Teller bekam er nichts runter.
    »Mir doch egal.«
    Seine Mutter schüttelte den Kopf, dann rieb sie sich die Augen. »Das geht nicht klar«, sagte sie. »Dass ein Spaßbieter jetzt für die Polizei in Bremen verantwortlich ist und hier bei uns die Mafia …«
    »Cosa Nostra Deutschland GmbH«, unterbrach Colin. »Das ist nicht dasselbe.«
    »Ach, Junge … wie viel haben sie geboten? 30 Milliarden? So viel Geld gibt man nicht aus, bloß um den Polizisten in Mailand designte Uniformen zu spendieren.«
    »Die Typen sind cool«, sagte Colin.
    »Weil sie schwarze Sonnenbrillen und Hüte tragen? Wie die Kerle in der Matrix? Ach, wäre das hier doch die Matrix …«
    »Mum, du bist altmodisch.«
    »Und du bist modern, weil du mich Mum statt Mama nennst? Wart’s ab, Mama ist wieder im Kommen, du musst es nur italienisch aussprechen. Ma ma .«
    »Leo findet’s auch cool.«
    »Vorhin hast du noch erzählt, er hätte gekotzt.«
    »Das lag am Wein, nicht an der Versteigerung.«
    »Privatfirmen sollten nicht für etwas derart Wichtiges zuständig sein«, sagte Colins Mutter zu ihrem Glas Orangensaft. »Vor Jahren haben sie Autobahnbaustellen privatisiert. Die Unfallzahlen stiegen. Aber die Politiker haben nichts draus gelernt. Haben vermutlich nette Beträge eingesteckt.«
    Colin ließ die Gabel samt Spaghetti sinken. Er hatte gerade an Leos Kotze gedacht, daraufhin rebellierte sein Magen. Er musste sich ablenken. »Wer hat noch mal den Norden gekriegt?«
    Seine Mutter seufzte. »Welchen Norden meinst du?«
    »Den da ganz oben.« Colin hielt den Zeigefinger hoch.
    »Schleswig-Holstein? König Frederik von Dänemark hat die Versteigerung gewonnen. Im Fernsehen haben sie ihn mit seiner Tochter gezeigt. Die ist so alt wie du, wusstest du das?«
    »Hm«, machte Colin und überlegte, ob er von Antonia erzählen sollte. Er ließ es lieber bleiben.
    »Dann haben sie nach Kiel auf den Marktplatz geschaltet und weinende Frauen gezeigt.«
    »Wieso haben die geweint?«
    »Vor Freude. Sie haben jetzt wieder einen König und eine Königin, jedenfalls sagten sie das, obwohl es natürlich Unsinn ist. Nur die Polizeigewalt gehört den Dänen.«
    »Hatte Deutschland auch mal einen König?«
    »Ganz viele«, erklärte Colins Mutter geduldig. »Der letzte war sogar ein Kaiser. Lies es im Internet nach.«
    »Keine … mmmh … Lust.«
    »Geht’s dir nicht gut? Hast du gestern doch zu viel gefeiert?«
    Colin schüttelte energisch den Kopf.
    Dann sprang er auf, rannte ins Bad und kotzte vors Klo.
      
    Colin sah Antonia nie wieder, obwohl er lange nach ihr suchte. Immer wenn er eine Schulstunde boykottierte – Sozialkunde oder PoWi zum Beispiel –, radelte er zu einer der anderen Schulen der Stadt, um heimlich am Ausgang nach dem Mädchen Ausschau zu halten. Aber sie lebte anscheinend nicht in Heidelberg. Nach einiger Zeit gab Colin das Herumspionieren an anderen Schulen auf. Erstens wurde es Herbst, die Tage kalt und regnerisch. Zweitens standen immer mehr Sicherheitsbeamte in Zivil an den Straßenecken. Diese Männer, alle in schwarzem Anzug und mit schwarzer Fliege, beäugten jeden, der sich auffällig benahm.
    Mitte Oktober versuchte Herr Toellmer, seine Schüler in der Klasse einzuschließen, bevor sie seinen Unterricht boykottieren konnten. Erfinderisch, wie die Kinder waren, drehten alle ihre Handys laut und spielten die Charts rauf und runter. Auch das verhinderte den Politikunterricht nachhaltig, zudem mussten sie nicht raus in den Regen. Gunnar, der eine Reihe hinter Colin saß und statt Schuluniform seinen Konfirmationsanzug trug, rief den Direktor an, der eine Viertelstunde später mit Unterstützung von eilig herbeigerufenen Sicherheitsbeamten die Tür aufbrach und Herrn Toellmer zu einem Gespräch abholte.
    Am nächsten Tag erklärte die Klassenlehrerin, dass der PoWi-Unterricht bis auf Weiteres ausfalle.
    »Ich find das nicht gut«, sagte Leo in der nächsten Pause. Er sah schnell nach links und rechts, aber weder Gunnar noch ein anderer Anzugträger waren in der Nähe. »Ich wollte das nicht.«
    »Wir ziehen alle an einem Seil«, sagte Colin. »Toellmer hat’s nicht kapiert. Sein Gefasel von der Gewaltenteilung war eine Gefahr für die Sicherheitslage.«
    »Du redest wie die .«
    »Die GmbH hat recht! Guck mal, wir haben erst seit ein paar Monaten die neuen Sicherheitskräfte. Klar, es gibt immer Anlaufschwierigkeiten, aber man soll die Sache doch erst mal ausprobieren! Und bisher ist die Anzahl der
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