Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
Endlich stießen seine Finger gegen
die Schiebetür. Er tastete sich bis zum Ende vor und zog dann an
der Tür.
      Als sich diese öffnete, trieb ihm der Fahrtwind
einen Regenschauer ins Gesicht. Fallon hielt sich am Griff fest, lehnte
in der Öffnung und starrte hinaus.
      Draußen war es ebenfalls dunkel; außerdem
regnete es stark. Der Zug fuhr gerade über ein Gewirr von
Schienen, und in einiger Entfernung konnte Fallon einen erleuchteten
Bahnsteig erkennen. Einen Augenblick später rumpelten sie an einem
Stellwärterhäuschen vorbei, und Fallon bemühte sich, den
Namen der Station zu erkennen. Es war Castlemore. Unterhalb des
Ortsnamens hing eine große, erleuchtete elektrische Uhr, deren
Zeiger auf halb sieben standen. Fallon steckte sich endlich seine
Zigarette an, setzte sich wieder auf den Boden und überdachte
seine Lage.
      Der Zug, den er in Stramore bestiegen hatte, war gegen
Mittag abgefahren. Etwa eine halbe Stunde später war er
abgesprungen. Das bedeutete also, daß er fast sechs Stunden lang
bewußtlos gelegen und Blut verloren hatte. Bei diesem Gedanken
überkam ihn wilde Panik; er zog sich wieder in der Tür hoch
und blieb dort stehen. Ein Mensch konnte unmöglich sechs Stunden
lang bluten – so viel Blut besaß niemand!
    Wieder griff er mit der Hand in das
Jackett und betastete vorsichtig die Wunde. Sie schien jetzt nicht mehr
zu bluten. Er versuchte ruhig zu überlegen. Offensichtlich war die
Wunde durch seinen schweren Aufprall beim Abspringen von dem Zug wieder
aufgegangen. Er mußte dann eine Weile geblutet haben, bis das
gerinnende Blut die Wunde wieder geschlossen hatte. Jedenfalls befand
sich der Verband noch in der richtigen Lage. Fallon mußte wild
auflachen. Es gab noch keinen Grund, den Kopf zu verlieren; er brauchte
noch nicht in Panik auszubrechen. Noch stand er fest auf den
Füßen und noch hatte er gute Aussichten!
      Er ließ sich wieder auf den Boden nieder und
schaute hinaus auf die Lichter von Castlemore, die an ihm vorbeiflogen
und in der Dunkelheit verschwanden. Die nächste Station war
Carlington. Er brauchte jetzt nur noch stillzusitzen und abzuwarten.
Hinter Carlington konnte er dann vom Zug springen und zu Fuß die
Grenze erreichen. Gegen Morgen würde er daheim sein!
      Der Zug ratterte mit einer Geschwindigkeit von zehn
bis fünfzehn Meilen in der Stunde vorwärts. Fallon schaute
auf die zurückbleibenden Lichter und versank in Träumereien.
Er erinnerte sich plötzlich des ersten Morgens, als er im Regen
durch die Stadt lief und Murphy ihm gefolgt war. Wie leibhaftig stand
der Junge wieder vor ihm, wie er barköpfig auf dem Holzplatz seine
Mütze abklopfte und vor sich hin schimpfte. Armer Johnny –
er hatte sich nach dem Abenteuer gesehnt, und das einzige, was er
gefunden hatte, war der Tod…
      Und dann Anne – die schöne Anne Murray! Er
hatte eine ganze Weile gebraucht, ehe es ihm klar wurde, daß sie
schön war. Aber vielleicht hatte er es insgeheim schon von Anfang
an gewußt und hatte es sich nur nicht eingestehen wollen. Wie er
so in die Dunkelheit starrte, schien es ihm für einen Moment, als
ob er ihr Gesicht sähe. Ihre Augen waren tiefe Seen, in deren
Unergründlichkeit er ertrank… Dann riß er sich los
von der Vision und lachte gequält auf. Es gab für ihn keine
Hoffnung in dieser Hinsicht – keine Hoffnung. Um etwas zu
empfangen, mußte man zunächst etwas geben; und er hatte ihr
nichts von sich geben können, nicht das geringste!
    Wieder mußte er bitter lachen. Es
war alles so seltsam – aber alles, womit er in Berührung
kam, wurde vernichtet, zerstört. Murphy, Rogan, auch Anne Murray
– vielleicht war sie am tiefsten getroffen. Nur eine Sache gab
es, die er nicht bereute. Ursprünglich war er über die Grenze
gekommen, um einen Mann zu befreien, und das Ende vom Liede war,
daß er diesen Mann tötete; aber trotzdem bereute er das
nicht. Es gab bisweilen Menschen, die nicht wert waren zu leben, und
Patrick Rogan war von dieser Sorte.
      Seine wandernden Gedanken blieben an dem Problem
hängen, wie man wohl einer Frau, der man Hilfe versprochen hatte,
das eigene Versagen beibringen könnte. Wie sollte er wohl vor
Maureen Rogan treten und ihr eingestehen, daß er ihren Sohn
getötet hätte? Er seufzte tief auf und lehnte sich gegen eine
der Kisten.
      Der Zug begann unterdessen zu stoßen, die Bremsen kreischten, und schließlich kam er zum Halten.
      Eine plötzliche Stille brach herein, die nur
durch das Zischen des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher