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Schrei in der Nacht

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht
Autoren: Jack Higgins
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sagte
erklärend: »Es ist besser, wir verdrücken uns etwas.
Auf dem Bahnsteig sind zu wenig Menschen, hinter denen ich mich
verstecken kann!«
    Sie nickte. »Ja, das wäre zu dumm, wenn Sie jetzt noch gefaßt
    würden! Am Tor zum Güterbahnhof standen zwei
Polizeibeamte; aber zum Glück kannte mich der diensthabende
Portier!« Sie schüttelte den Kopf und setzte mit einer
Grimasse komischen Abscheus hinzu: »Trotzdem möchte ich das
nicht noch einmal mitmachen! Ich habe Blut und Wasser geschwitzt bei
dem Gedanken, daß sie den Wagen hätten durchsuchen
wollen!«
      Er lächelte und drückte ihr die Hand.
»Du warst wirklich ein tolles Mädchen!« Sie stand ihm
in dem engen Gang gegenüber, und ihre Körper berührten
sich fast. Auf dem Bahnhof war es ruhig; eine Art gespannter Erwartung
lag über allem. Die dunklen, glänzenden Augen des
Mädchens hingen an Fallons Gesicht und füllten sich
plötzlich mit Tränen. Er streckte die Hand aus und
tätschelte ihr unbeholfen die Wange. »Mach dir keine
Sorgen«, tröstete er sie, »ich werde schon
durchkommen!«
      »Oh, ich bete zu Gott, daß es Ihnen
gelingen wird!« stieß sie hervor. Sie schaute ihm noch
immer wie gebannt ins Gesicht; dann aber trat sie einen kleinen Schritt
vor, drängte sich in seine Arme und küßte ihn
leidenschaftlich. Einen kurzen Augenblick hing sie so an seinem Hals;
dann machte sie sich wieder frei, trat hinaus auf den Bahnsteig und
schloß die Wagentür.
      Während vom Bahnsteigende die Pfeife des
Zugführers schrillte, zog Fallon seine Brieftasche heraus und
entnahm ihr alles Geld, das er von O'Hara erhalten hatte. Es waren noch
mehr als hundert Pfund. Fünf einzelne Pfundnoten legte er wieder
zurück in die Brieftasche; das restliche Bündel Geldnoten
aber drückte er Rose aus dem Abteilfenster hinaus in die Hand.
»Hier, das ist für dich!« sagte er dabei. »Es
sind noch über hundert Pfund. Lege sie gut an, und geh fort von
dieser Stadt! Fang ein neues Leben an!«
    Ihre Augen wurden groß vor
Erstaunen, als sie auf das Geld sah. »Das kann ich doch nicht
annehmen!« wehrte sie ab. »Das ist ja viel zuviel!«
In diesem Augenblick begann der Zug anzufahren. Sie lief auf dem
Bahnsteig entlang und versuchte Schritt zu halten.
      Fallon schüttelte den Kopf. »Behalt es nur.
Ich brauch' es ohnehin nicht mehr. Außerdem hast du dir jeden
Penny davon ehrlich verdient.«
      Der Zug fuhr schneller, und sie mußte rennen.
Ihre Augen waren tränengefüllt. »Ich werde Sie niemals
vergessen, Mr. Fallon! In meinem ganzen Leben nicht!«
      Ein Kloß stieg Fallon in die Kehle; er rief mit
unsicherer Stimme zurück: »Auch ich werde dich nicht
vergessen, Rose!« Dann blieb sie zurück; der Bahnsteig eilte
immer schneller vorbei und entführte das Mädchen in die
Vergangenheit.
      Fallon setzte sich in die Ecke eines leeren Abteils
und starrte aus dem Fenster. Alles lag jetzt ¡n der Hand des
Schicksals. Ein paar Stunden später würde er an der Grenze
sein, und wenn er erst so weit war, müßte er seine Chance
nutzen. Wenn er die Dunkelheit abwartete, dürfte es nicht
schwierig sein, zu Fuß über die Grenze zu gelangen. Wieder
überflutete ihn eine Welle furchtbaren Schmerzes. Er schloß
die Augen, lehnte sich zurück in die Ecke, und nach einer Weile
versank er in einen halbwachen Dämmerzustand.
      Etwa eine halbe Stunde später öffnete er die
Augen wieder und bemerkte plötzlich, daß der Zug angehalten
hatte und auf einer kleinen Station stand. Fallon schenkte dem
zunächst keine Beachtung und schloß wieder die Augen, doch
dann durchfuhr es ihn wie ein Blitz, und hellwach richtete er sich auf.
Nach dem Fahrplan hätten sie bis Castlemore durchfahren
müssen. Hastig ließ er das Fenster herunter und schaute
hinaus. Vorn am Zug, gleich hinter der Lokomotive, stand eine Gruppe
von Männern, die miteinander sprachen. Einer von ihnen war der
Schaffner, die drei anderen trugen dunkle Polizeiuniformen.
    Fallon spürte plötzlich den
bitteren Wunsch zu lachen in sich. Er hatte wohl schon alle Voraussicht
verloren! Natürlich hätte er an diese Gefahr denken
müssen; sie lag ja auf der Hand! – Noch während er
hinausschaute, bestiegen die Polizeibeamten und der Schaffner den Zug,
und dieser fuhr langsam wieder an.
      Fallon verließ schnell das Abteil und ging den
Gang entlang zur nächsten Wagentür. Als er sie öffnen
wollte, war der Bahnsteig der kleinen Station jedoch schon
vorbeigeglitten; der Zug war wieder auf freier Strecke
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