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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen
Autoren: B Akunin
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Wladimir Andrejewitsch«, kam von der Tür die Stimme Wedistschews, »aber er hat recht. Schreiben Sie an Väterchen Zar. So und so, bei uns sind Unwägbarkeiten eingetreten. Uns zum Schaden, aber um Eurer kaiserlichen Ruhe willen bitten wir untertänigst, nicht zu uns nach Moskau zu kommen.«
    »Oh, mein Gott.« Die Stimme des Gouverneurs zitterte kläglich.
    Ishizyn erhob sich, blickte den hohen Chef ergeben an und verkündete die rettende Idee: »Euer Erlaucht, und wenn wir uns auf die außerordentliche Gewalt des Hochwassers berufen? Daran ist sozusagen nur der himmlische Herrscher schuld.«
    »Tüchtig, Pyshizin, tüchtig.« Der Fürst heiterte sich auf. »Ein helles Köpfchen. Das werde ich schreiben. Wenn bloß die Presse nicht von der Greueltat Wind bekommt.«
    Der Untersuchungsführer warf einen herablassenden Blick auf Fandorin und nahm wieder Platz, aber nicht, wie zuvor, auf der Stuhlkante, sondern bequem, als Gleicher unter Gleichen.
    Doch die Erleichterung im Gesicht des Fürsten wurde gleich wieder von Verzagtheit abgelöst.
    »Es wird nicht helfen! Die Wahrheit wird trotzdem ans Licht kommen. Wenn Erast Petrowitsch sagt, daß diese Untat nicht die letzte ist, wird es auch so sein. Er irrt sich selten.«
    Fandorin warf dem Gouverneur einen befremdeten Blick zu und zog eine Braue hoch: Ach so, es kommt also auch vor, daß ich mich irre?
    Da begann der Oberpolizeimeister zu schnaufen, senkte schuldbewußt den Kopf und dröhnte im Baß: »Ich weiß nicht, ob es die letzte ist, aber ich weiß, daß es wohl nicht die erste ist. Meine Schuld, Wladimir Andrejewitsch, ich habe dem keine Bedeutung beigemessen, wollte Sie nicht mit Lappalien behelligen. Der heutige Mord aber übertrifft alles Bisherige, darum habe ich mich angesichts des allerhöchsten Besuchs entschlossen, Ihnen Meldung zu machen. Dabei fällt mir ein, daß sich in letzter Zeit Fälle von bestialischen Verbrechen an Straßenmädchen und Landstreicherinnen gehäuft haben. In der Butterwoche hat man mir mitgeteilt, daß in der Selesnjowskaja eine Bettlerin gefunden wurde, deren Bauch in Streifen geschnitten war. Und davor war am Sucharewka-Markt eine Dirne mit aufgeschlitztem Unterleib entdeckt worden. Im Falle der Bettlerin wurde keine Untersuchung eingeleitet, weil es aussichtslos war, und bei der Dirne dachte man, ihr Lude hätte sie im Suff massakriert. Der junge Mann wurde festgenommen, aber er hat bis jetzt nicht gestanden.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!« Der Gouverneur schlug die Hände zusammen. »Hätte man sofort mit der Ermittlung begonnen und Erast Petrowitsch darauf angesetzt, dann säße der Unhold vielleicht schon hinter Gittern! Und der Besuch des Zaren brauchte nicht abgesagt zu werden!«
    »Aber wer konnte das denn wissen, Euer Erlaucht? Es war keine böse Absicht. Sie wissen ja selber, in was für einer Stadt wir leben, viel gemeines Volk, jeden Tag, den Gott werden läßt, passieren Bestialitäten! Soll ich etwa wegen jeder Kleinigkeit Euer Hohe Exzellenz beunruhigen?« rechtfertigte sich der Oberpolizeimeister mit fast weinerlicher Stimme und blickte hilfesuchend den Staatsanwalt an, doch der maßihn mit einem strengen Blick, und Ishizyn schüttelte vorwurfsvoll den Kopf: Das sieht gar nicht gut aus.
    Fandorin unterbrach die Wehklage des Generals mit der knappen Frage: »Wo sind die Leichen?«
    »Wo sollen sie schon sein, auf dem Boshedomka-Kirchhof, wo alle Landstreicher, Tagediebe und Paßlosen begraben werden. Wenn es Anzeichen von Gewalt gibt, kommen sie zuerst ins Leichenschauhaus der Polizei, zu Jegor Williamowitsch, und dann auf den dortigen Friedhof. So ist die Vorschrift.«
    »Sie müssen exhumiert werden«, sagte Fandorin mit einer Grimasse des Ekels. »Und zwar unverzüglich. Anhand der Listen des Leichenschauhauses ist zu prüfen, welche Personen weiblichen Geschlechts in letzter Zeit, s-sagen wir, seit Neujahr, Spuren eines gewaltsamen Todes aufwiesen. Die sind zu exhumieren. Es ist zu prüfen, ob die Verbrechen nach einem ähnlichen Muster verübt wurden. Die Erde ist noch gefroren, die L-leichen müssen gut erhalten sein.«
    Der Staatsanwalt nickte. »Das ordne ich an.« Zu Ishizyn: »Befassen Sie sich damit, Leonti Andrejewitsch.« Und ehrerbietig zu Fandorin: »Und Sie, Erast Petrowitsch, geruhen Sie daran teilzunehmen? Das wäre sehr wünschenswert.«
    Ishizyn machte ein saures Gesicht – er fand die Teilnahme des Kollegienrats nicht so wünschenswert.
    Fandorin erbleichte plötzlich – er dachte an
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