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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen
Autoren: B Akunin
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wann einem Verbrecher ein Ende zu machen ist.«
    »Über Gott weiß ich nichts. Und ich kann kein gleichgültiger Beobachter sein. Meines Erachtens ist Gleichgültikeit die schlimmste Sünde. Genug, Angelina, genug.«
    Fandorin wandte sich zu Masa um und sagte auf japanisch: »Bring ihn in den Hof.«
    »Herr, Sie haben noch nie einen Unbewaffneten getötet«, antwortete der Diener besorgt in derselben Sprache. »Sie werden sich hinterher schlecht fühlen. Und die Herrin wird Ihnen zürnen. Ich erledige das allein.«
    »Das ändert nichts. Und es spielt keine Rolle, daß er unbewaffnet ist. Ein Zweikampf wäre Wichtigtuerei. Ob mit oder ohne Waffe, ich töte ihn mit der gleichen Leichtigkeit. Wir brauchen keine billige Theatralik.«
    Als Masa und Fandorin den Verurteilten an den Ellbogen faßten und zum Ausgang führten, rief Angelina: »Erast, um meinetwillen, um unsertwillen!«
    Die Schultern des Kollegienrats zuckten, aber er drehte sich nicht um.
    Statt dessen sah sich der Dekorateur um und sagte miteinem Lächeln: »Gnädige Frau, Sie sind eine Schönheit. Aber ich versichere Ihnen, auf dem Tisch, umgeben von Porzellantellern, wären Sie noch schöner.«
    Angelina schloß die Augen und hielt sich die Ohren zu, dennoch hörte sie, wie im Hof ein Schuß krachte – trocken, kurz, kaum zu unterscheiden vom Geknall der Raketen und Schwärmer, die in den Sternenhimmel flogen.
     
    Fandorin kam allein zurück. Er blieb an der Schwelle stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Zähne schlugen ihm aufeinander, als er sagte: »Weißt du, was er geflüstert hat? ›Herrgott, was für ein Glück.‹«
    Lange saß Angelina mit geschlossenen Augen, und Tränen liefen ihr über die Wangen, während Fandorin an der Tür stand und sich nicht entschließen konnte näher zu treten.
    Schließlich stand sie auf. Sie trat zu ihm, umarmte ihn, küßte ihn leidenschaftlich auf die Stirn, die Augen, den Mund.
    »Ich verlasse Sie, Erast Petrowitsch. Behalten Sie mich in guter Erinnerung.«
    »Angelina …« Das Gesicht des Kollegienrats, ohnehin blaß, wurde grau. »Etwa wegen dieses Vampirs, dieses Ungeheuers …?«
    »Ich bin Ihnen im Wege, bringe Sie durcheinander«, unterbrach sie ihn. »Die Schwestern rufen mich seit langem ins Boris- und Gleb-Kloster. Dorthin hätte ich gleich gehen sollen, als mein Vater starb. Aber ich gab der Schwäche nach und blieb bei Ihnen, ich sehnte mich nach dem Fest. Nun ist es vorbei. Feste dauern nie lange. Ich werde Sie von weitem im Auge behalten. Und für Sie beten. Handeln Sie, wie Ihr Herz es Ihnen eingibt, und wenn Sie etwas falsch machen, keine Angst, ich werde für Sie Abbitte tun.«
    »Du darfst nicht ins K-Kloster.« Fandorin sprach schnell und verworren. »Du bist nicht wie sie, du bist lebendig, l-leidenschaftlich. Du wirst es nicht aushalten. Und ich kann ohne dich nicht s-sein.«
    »Doch, das können Sie, Sie sind stark. Sie hatten es schwer mit mir. Ohne mich wird es leichter sein … Und daß ich lebendig und leidenschaftlich bin – die Schwestern sind es auch. Gott braucht keine Lauen. Leben Sie wohl, leben Sie wohl. Ich weiß längst, daß wir nicht zusammen sein dürfen.«
    Fandorin schwieg verzweifelt, er fühlte, daß sie mit keinem Argument umzustimmen war. Auch Angelina schwieg und streichelte sacht seine Wange, seine weiße Schläfe.
    Aus der Nacht, von den dunklen Straßen schwoll, im Widerspruch zum Abschied, der jubelnde, jauchzende Klang der Osterglocken.
    »Nehmen Sie es nicht so schwer, Erast Petrowitsch«, sagte Angelina. »Hören Sie? Christ ist erstanden.«

Informationen zum Buch
    Moskau 1889: Eine Prostituierte wurde ermordet, zugegeben, auf besonders brutale Weise. Daß Fandorin, Sonderbeauftragter des Gouverneurs von Moskau, aber gleich Jack the Ripper, den berüchtigten Londoner Serienmörder, in Rußland vermutet, ist wohl ziemlich übertrieben. Und daß er deshalb den Gouverneur bittet, den Osterbesuch des Zaren in der Stadt abzusagen, das geht entschieden zu weit. Doch weitere grausame Morde scheinen Fandorins Theorie zu bestätigen.
     
    Boris Akunin genießt in seiner Heimat geradzu legendäre Popularität undwurde 2001 zum Schriftsteller des Jahres gewählt. Seine Bücher um ErastFandorin, der inzwischen auch in Deutschland zur Kultfigur geworden ist, wurden bereits in 17 Sprachen übersetzt.
     
    "Die Lust an der Kombinatorik veranlaßte den Autor, nicht nur einen Romanzu schreiben, sondern Erast Fandorin zu einem Projekt auszuweiten, das
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