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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen
Autoren: B Akunin
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Konfektschachteln und Bonbonieren mit Abbildungen des Abendmahls, des Kreuzeswegs, Golgathas und so weiter. Das ist Lästerung,meine Herren! Geruhen Sie, liebwerter Herr«, wandte sich der Fürst an den Oberpolizeimeister, »noch heute Anweisung an die Polizei ergehen zu lassen, solcherlei Liederlichkeiten aufs strengste zu unterbinden. Die Schachteln sind zu vernichten, der Inhalt ist dem Findelhaus zu übergeben. Sollen sich die Waisenkinder zum Festtag daran gütlich tun. Die Ladenbesitzer sind mit einer Strafe zu belegen, damit sie mich vor dem allerhöchsten Besuch nicht in die Bredouille bringen.«
    Der Generalgouverneur rückte aufgeregt die etwas verrutschte Lockenperücke zurecht, wollte noch etwas sagen, mußte aber husten.
    Da tat sich sogleich eine unsichtbare Tür auf, die in die inneren Gemächer führte, und von dort kam, lautlos in hohen Filzschuhen, ein krummbeiniger dürrer Greis mit einem blitzblanken kahlen Schädel und übergroßem Backenbart hereingehuscht – der persönliche Kammerdiener des Fürsten, Frol Wedistschew. Sein plötzliches Erscheinen verwunderte niemanden. Alle Anwesenden erachteten es für unerläßlich, den Eingetretenen mit einer Verbeugung oder zumindest einem Nicken zu begrüßen, denn Wedistschew galt, ungeachtet seiner bescheidenen Stellung, in der altehrwürdigen Stadt als eine einflußreiche und in mancher Beziehung sogar allmächtige Person.
    Der Kammerdiener träufelte aus einem Fläschchen flink eine Mixtur in einen kleinen Silberbecher, reichte ihn dem Fürsten und verschwand ebenso rasch, wie er gekommen war, ohne jemanden anzublicken.
    »Dank dir, Frol, mein Beschter«, nuschelte der Generalgouverneur und ruckte mehrmals mit dem Kinn, um das Gebiß zurechtzurücken. Dann fuhr er in normaler Aussprachefort: »Und nun bitte ich Erast Petrowitsch, uns zu erklären, warum die heutige Sitzung so dringlich ist. Wie Sie sich wohl denken können, mein Guter, ist bei mir jede Minute gezählt. Also, was ist passiert? Befürchten Sie, daß sich Gerüchte über die schreckliche Missetat unter der Bevölkerung ausbreiten? Das hätte uns vor dem allerhöchsten Besuch noch gefehlt.«
    Fandorin erhob sich, und die Blicke der höchsten Moskauer Ordnungshüter richteten sich auf das blasse, entschlossene Gesicht des Kollegienrats.
    »Maßnahmen zur Wahrung des G-Geheimnisses sind ergriffen, Euer Erlaucht«, begann er zu referieren. »Jeder, der an der Tatortbesichtigung teilgenommen hat, wurde auf seine Verantwortung hingewiesen und mußte eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Der Hausmeister, der die Leiche gefunden hat, ein Mann, der zu übermäßigem Alkoholgenuß neigt und dann unberechenbar ist, wurde vorübergehend in Gewahrsam genommen und in einer speziellen Z-Zelle der Gendarmerieverwaltung untergebracht.«
    »Sehr schön«, lobte der Gouverneur. »Wozu bedurfte es dann dieser Zusammenkunft? Warum haben Sie gebeten, die Leiter der Ermittlungs- und der Polizeibehörden zusammenzuholen? Sie hätten doch alles mit Pyshizyn entscheiden können.«
    Fandorin warf unwillkürlich einen Blick auf den Untersuchungsführer, zu dem der vom Fürsten erfundene Name 1 erstaunlich gut paßte, aber ihm war in diesem Moment nicht nach Scherzen zumute.
    »Hohe Exzellenz, ich habe nicht g-gebeten, den Leiter der Kriminalpolizei einzuladen. Der Fall ist äußerst beunruhigendund von höchster Wichtigkeit, so daß sich außer der Staatsanwaltschaft die operative Abteilung der Gendarmerie unter persönlicher Kontrolle des Herrn Oberpolizeimeisters damit beschäftigen muß. Die Kriminalpolizei jedoch möchte ich überhaupt nicht einschalten, dort sind zu viele zufällige Leute. Erstens.«
    Fandorin machte eine vielsagende Pause. Der Staatsrat Ejchman wollte protestieren, doch der Gouverneur gebot ihm mit einer Geste zu schweigen.
    »Da habe ich Sie also umsonst herbemüht, Verehrtester«, sagte er freundlich. »Gehaben Sie sich wohl und halten Sie Ihre Taschendiebe und Freimaurer im Zaum, sie sollen den Ostersonntag bei sich in Chitrowka feiern und ja nicht die Nase herausstecken. Ich hoffe da sehr auf Sie, Pjotr Rejngardowitsch.«
    Ejchman erhob sich, verbeugte sich schweigend, lächelte nur mit den Lippen Fandorin zu und ging hinaus.
    Der Kollegienrat stieß einen Seufzer aus, denn er wußte, daß er nun in dem Leiter der Moskauer Kriminalpolizei einen ewigen Feind haben würde, doch der Fall war so fürchterlich, daß er kein zusätzliches Risiko duldete.
    »Ich kenne Sie«, sagte der
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