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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen
Autoren: B Akunin
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entnommenen Innereien zu einer Art grausigem Stilleben.«
    »Heilige Jungfrau«, hauchte Wedistschew und bekreuzigte sich.
    Der Fürst rief emphatisch: »Was für Scheußlichkeiten erzählen Sie da! Und, wurde der Verbrecher dingfest gemacht?«
    »Nein, aber seit Dezember gab es keine derartigen Morde mehr. Die Polizei kam zu dem Schluß, daß der Verbrecher entweder Hand an sich gelegt oder … England verlassen hat.«
    »Und er hatte nichts Besseres zu tun, als zu uns nach Moskau zu kommen.« Der Oberpolizeimeister schüttelte skeptisch den Kopf. »Selbst wenn, es ist ein leichtes, den englischen Mordbuben aufzuspüren und festzusetzen.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß er Engländer ist?« fragte Fandorin den General. »Alle Morde wurden in Londoner Elendsvierteln verübt, wo viele Auswanderer vom europäischen K-Kontinent leben, auch Russen. Übrigens suchtedie englische Polizei den Verdächtigen vorrangig unter immigrierten Medizinern.«
    »Warum gerade Mediziner?« erkundigte sich Ishizyn.
    »Weil den Opfern die inneren Organe äußerst sachkundig entnommen wurden, höchstwahrscheinlich mit einem Skalpell. Die Londoner Polizei ist überzeugt, daß Jack der Ripper Arzt oder Medizinstudent ist.«
    Staatsanwalt Kosljatnikow hob den gepflegten weißen Finger, an dem ein Brillantring funkelte, und sagte: »Aber wie kommen Sie darauf, daß die Andrejitschkina ausgerechnet von dem Londoner Verbrecher getötet und zerstückelt wurde? Als ob wir nicht genug eigene Mörder hätten! Da hat sich so ein Hundesohn bis zum Delirium besoffen und sich dann eingebildet, daß er mit dem grünen Drachen kämpft.«
    Der Kollegienrat seufzte und antwortete geduldig: »Fjodor Kallistratowitsch, Sie haben doch den Bericht des Gerichtsarztes gelesen. Im D-Delirium kann man nicht so exakt präparieren, noch dazu ›mit einem Gegenstand von chirurgischer Schärfe‹. Erstens. Wie auch in East End fehlen die sonst üblichen Anzeichen sexueller Exzesse. Zweitens. Das Bedenklichste aber sind die Spuren des blutigen Kusses auf der Wange der Getöteten, drittens. Alle Opfer des Rippers trugen so einen blutigen Stempel – auf der Stirn, auf der Wange, einmal auf der Schläfe. Inspektor Gilson, von dem ich dieses Detail erfuhr, maß dem keine B-Bedeutung bei, denn Absonderlichkeiten gab es bei dem Ripper mehr als reichlich, auch weitaus weniger harmlose. Aus den spärlichen Informationen, die die Kriminalistik über Triebtäter hat, ist jedoch bekannt, was für eine Rolle das Ritual für diese Verbrecher spielt. Den Serienmorden eines Triebtäters liegt stetseine gewisse ›Idee‹ zugrunde, die ihn immer wieder zur Tötung unbekannter Menschen treibt. Ich habe noch in London v-versucht, den Leitern der Ermittlung klarzumachen, daß sie als erstes die ›Idee‹ des Triebtäters ergründen müssen. Das übrige ist eine Frage der Kriminaltechnik. Das Grundmuster des Rituals stimmt bei dem Ripper und unserem Moskauer Mörder völlig überein, daran gibt es nicht den geringsten Zweifel.«
    »Das ist sehr abwegig.« General Jurowski schüttelte den Kopf. »Der Ripper soll aus London verschwunden sein, um in einem Moskauer Holzschuppen wieder aufzutauchen … Und außerdem, wegen des Todes einer Prostituierten den allerhöchsten Besuch abzusagen, das ist …«
    Fandorin war mit seiner Geduld offenbar am Ende, denn er sagte ziemlich scharf: »Ich möchte Euer Exzellenz daran erinnern, daß der Fall des Rippers den Chef der Londoner Polizei und den Innenminister den Posten gekostet hat, weil sie sich zu lange w-weigerten, den Morden an Prostituierten die nötige Bedeutung beizumessen. Selbst wenn wir davon ausgehen, daß wir es mit einem einheimischen Iwan Ripper zu tun haben, wird es nicht leichter. Da er einmal B-Blut geleckt hat, wird er nicht aufhören. Stellen Sie sich vor, was passiert, wenn uns während des Besuchs Seiner Majestät der Mörder ein neues Geschenk gleich dem heutigen präsentiert? Und wenn sich dann noch herausstellt, daß das heutige Verbrechen nicht das erste dieser Art ist? Das wird ein hübscher Ostersonntag im altehrwürdigen Moskau.«
    Der Fürst bekreuzigte sich erschrocken, und der General griff nach dem goldbestickten Kragen, um ihn zu öffnen.
    »Es ist ein Wunder, daß es bislang gelungen ist, eine solche Ungeheuerlichkeit geheimzuhalten.« Der Kollegienrat strichsich besorgt über das stutzerhafte schwarze Schnurrbärtchen. »Aber ist es wirklich gelungen?«
    Es herrschte Grabesstille.
    »Wie es Ihnen beliebt,
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