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Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)

Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)

Titel: Schöne Sauerei: Ein Schweinekrimi (German Edition)
Autoren: Arne Blum
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paar geflüsterte Worte. Einen Moment später, als hätten diese Worte seine ganze Kraft gekostet, sank ihm der Kopf auf die Brust.
    »Machen die den Mann wirklich tot?«, fragte Cecile mit ihrer nervigen Piepsstimme.
    Auch Doktor Pik hatte sich mittlerweile zu ihnen gesellt. Er war das älteste der fünf Schweine des Hofes. Für gewöhnlich konnte ihn nichts aus der Ruhe bringen, doch nun wirkte auch er aufgeregt.
    »In meinem Wanderzirkus«, meinte er, »da hat es einen Mann gegeben, der hat mit Messern auf andere Menschen geworfen, große scharfe Messer, aber er hat sie nie getroffen. Wahrscheinlich weil er es nicht wollte. Ich bin ihm immer aus dem Weg gegangen.«
    »Ist mir eigentlich egal, ob die Menschen sich gegenseitig umbringen«, rief Che und wandte sich grummelnd ab. Er brachte nie viel Geduld für eine Sache auf.
    Der Mann am Kreuz starb tatsächlich. Er hatte inzwischen die Augen geschlossen und rührte sich nicht mehr. Kim konnte es nicht fassen. So schnell konnte ein Mensch sterben! Ihr drehte sich der Magen um. Sie sollte sich abwenden, sagte sie sich, zurück in den Stall laufen und ein wenig Stroh zusammenkratzen. Aber sie konnte nicht – diese verdammte Neugier hatte sie im Griff.
    Mittlerweile war es totenstill geworden; einzig die Frau in dem weißen Gewand schluchzte noch, doch leiser, unauffälliger, während die anderen Männer und Frauen, so viele, dass Kim sie gar nicht zählen konnte, wie gebannt auf den Nackten am Kreuz starrten.
    Unvermittelt erklang Musik, ein Donner ertönte. Kim schrak zusammen. Was war das? Sie quiekte vor Schrecken auf.
    Plötzlich löste sich Dörthe aus der Menge, sie war nicht verkleidet; ihr roter Haarschopf leuchtete zu Kim herüber. Seltsamerweise war sie kein bisschen entsetzt. Sie weinte auch nicht, sondern klatschte in die Hände. Ihr Bauch war ein kleiner Ballon; man sah ihr an, dass sie bald ein Kind bekommen würde.
    »Großartig, Leute!«, rief sie. »So machen wir es am Sonntag! Da wird die Gemeinde staunen.« An den Männern mit den seltsamen Kopfbedeckungen vorbei ging sie zu dem Kreuz und klopfte an das Holz. »Reife Leistung, Jan! Gut gemacht!«
    Der Mann am Kreuz schlug die Augen auf und lächelte. »Wenn du das sagst, Dörthe. Bist eine tolle Lehrerin!«
    Kim brauchte einen Moment, um zu verstehen. Es war tatsächlich ein Spiel – die Menschen spielten, einen anderen ans Kreuz zu binden, und ausgerechnet Dörthe war die Leiterin dieses Spiels.
    Na großartig, sie hatte für nichts und wieder nichts einen Heidenschrecken bekommen. Kim schnaufte empört, doch wieder einmal bekam es niemand mit, nicht einmal Doktor Pik, der sich bereits wieder zu den anderen gesellt hatte.
    Missmutig machte Kim kehrt. Gut, es war auch ihr Fehler gewesen. Sie interessierte sich einfach zu sehr für die Angelegenheiten der Menschen, da hatte Che vielleicht gar nicht so unrecht.
    »Kim!«, hörte sie auf einmal eine sehr vertraute Stimme. »Kim, wir müssen reden!«
    Als sie sich zur anderen Seite der Wiese umwandte, sah sie seinen mächtigen Schatten im Abendlicht. Lunke, der wilde Schwarze – er stand da und grinste sie an. »Am besten sofort!«

2
    »Merk dir das!«, hatte ihre Mutter, die fette Paula, ihr stets gesagt. »Wir werden geschlachtet. Das ist unser Schicksal, nichts anderes!«
    Kim hatte ihre Mutter geliebt, noch immer sehnte sie sich gelegentlich nach ihr, nach dem Gefühl von Wärme und Geborgenheit, obwohl es schon zwei Sommer her war, dass Paula eines Morgens von einem großen Transporter abgeholt worden war. Kim selbst hatte sich retten können. Der große Lastwagen, auf den man sie viel später mit zwanzig anderen Schweinen verfrachtet hatte, war umgekippt. Unter einem riesigen blauen Himmel hatte sie gelegen und sich dann in einem Gebüsch versteckt, bis Dörthe sie gefunden und mitgenommen hatte. Paula hatte also unrecht gehabt, sie waren nicht auf der Welt, um geschlachtet zu werden, aber weshalb waren sie dann da? Um den Menschen etwas beizubringen? Oder um gegen die Menschen Krieg zu führen, wie Che meinte? Nein, das glaubte Kim nicht. Wenn sie ehrlich war, meinte sie, dass Menschen und Schweine nicht alles waren, dass es hinter dem blauen Himmel noch etwas anderes gab, dass Stroh nicht nur Stroh war, Wasser nicht nur Wasser … Na ja, so ähnlich jedenfalls.
    Dann, wenn ihr von diesen Gedanken, denen sie immer unter ihrem Apfelbaum nachhing, ganz schwindlig war, kam es ihr allerdings so vor, dass ihr Kopf vielleicht doch nicht zum Denken
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