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Schöne Khadija

Schöne Khadija

Titel: Schöne Khadija
Autoren: Gillian Cross , Tanja Ohlsen
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Gefahr war. Aber Sandy machte es möglich, durch reine, starke Willenskraft. Fast konnte ich hören, was sie sich selbst einredete.
    Wir brauchen nur noch achtzehn Minuten, um die Show über die Bühne zu bringen …
    … nur noch siebzehn Minuten …
    … nur noch …
    Was würden die Leute in London denken? Sie mussten die Entführer doch auch sehen können. Ich stellte mir Merry vor, die mit all den anderen Modewütigen in einer Reihe saß. War sie nicht ebenso entsetzt wie ich?
    »Du musst nicht weitermachen«, sagte ich zu Khadija. »Geh einfach zu Sandy und sag ihr, dass du aufhörst.«
    Doch Khadija schüttelte heftig den Kopf. »Das hilf Mahmoud doch auch nicht. Ich muss das tun. Bitte hilf mir, Freya.«
    Ich verstand das zwar nicht, aber wenn es ihr Wunsch war, dann würde ich sie nicht im Stich lassen. So schnell ich konnte, nahm ich ihr das »unsichtbare« Kleid und den glatten, spitz zulaufenden Schleier ab. Dann nahm ich das nächste Kleid vom Ständer und sie zog es an und blieb kerzengerade stehen, während ich es zuknöpfte.
    Sie drängte mich nicht, nicht einmal, als ich mich auf halbem Weg verhaspelte, weil ich ein Knopfloch ausgelassen hatte. Sie wartete geduldig,bis ich alles wieder aufgemacht und von vorne angefangen hatte.
    Als ich fertig war, reichte ich ihr den Schleier, damit sie ihn selbst anlegte. Ich hatte es fünf- oder sechsmal geübt, aber meine Hände waren feucht von Schweiß und ich war mir nicht sicher, ob ich es beim ersten Mal schaffen würde. Ich wusste, dass Khadija es schneller hinbekommen würde.
    Eigentlich sollten wir im Haus warten, bis Sandy uns das Signal gab herauszukommen, aber wir dachten gar nicht daran. Sobald der Schleier saß, stürmten wir beide gleichzeitig zur Tür, ohne dass wir darüber sprechen mussten.
    Wir waren nur drei oder vier Minuten drinnen gewesen, aber in dieser kurzen Zeit hatte sich alles verändert.
    Der Jeep war hundert Meter vor dem Dorf stehen geblieben und drei der Kidnapper hatten sich daneben aufgestellt, umgeben von unseren Wachen. Es schien nicht so, als ob irgendjemand durchkommen könnte.
    Doch zwei der Kidnapper liefen direkt auf die Wachen zu. Sie waren groß und trugen K efiyas vor dem Gesicht. Selbst aus der Entfernung konnte ich sehen, dass einer von ihnen ein Gewehr hatte, und ich dachte: Warum schießen die Wachen nicht? Warum lassen sie sie einfach durch?
    Doch dann sah ich den Grund.
    Bei den beiden Männern, dicht vor ihnen, ging ein etwa zwölfjähriger Junge. Sie benutzten ihn als Schutzschild. Die Wachen zögerten und traten dann beiseite, um sie durchzulassen.
    Das Gesicht des Jungen war nicht bedeckt. Als er näher kam, konnte ich seine großen, erschrockenen Augen sehen und die Risse in seiner geschwollenen Lippe. Auch Khadija sah ihn und seine Wunden. Sie schnappte mit einem kleinen, merkwürdigen Geräusch nach Luft, als hätte sie jemand geschlagen. Dann rannte sie los.
    Doch Dad hatte sie gesehen. Er überließ die Kamera sich selbst und lief um den Laufsteg herum, um sie aufzuhalten.
    »Nicht, Khadija!«, bat er flehentlich. »Sie sind bestimmt nervös.Wenn du plötzlich auf sie zuläufst, kann alles Mögliche passieren. Denk daran, dass den Jungen niemand töten will. Sie wollen ihn nur verkaufen.«
    Khadija presste sich stöhnend die Hand auf den Mund.
    Und bei all dem stand Sandy am anderen Ende des Laufsteges und stieß energisch jedes Model an, wenn sie an der Reihe war. Später erzählte mir Merry, wie es war, in London zu sitzen und zuzusehen.
    Zuerst dachten wir, es sei Teil der Show. Einer von Sandys schlauen Einfällen, um die Sache zu unterstreichen. Aber sobald wir den Jungen sahen, wussten wir, dass es echt sein musste. Selbst Sandy konnte so etwas nicht inszenieren.
    Dieser Anblick dominierte den Rest der Woche. Diese Sache hat sie für mich ruiniert. Ständig musste ich an den Jungen denken und an den Ausdruck in
seinem Gesicht.

Ü berall waren Gewehre. Gewehre in dem Jeep, in dem er gekommen war. Gewehre auf den Lastern, die ihnen den Weg zum Dorf versperrten. Und Sanyares Gewehr, das sich in seinen Rücken bohrte, als er auf das Dorf zuging.
    Es war stickig und er ging so dicht zwischen Sanyare und Yusuf, dass er Yusufs Atem riechen konnte. Er spürte die steife Form der Lederscheide, mit der Sanyare seinen Dolch am Gürtel befestigte. Es schien keine Fluchtmöglichkeit zu geben.
    Sie gingen auf eine Menschenmenge zu, hauptsächlich Frauen und Mädchen. Mahmoud sah sie aufmerksam an, denn
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